Kutscher, Jan
Paul Lincke
Sein Leben in Bildern und Dokumenten
Bis heute werden Operetten gerne gehört und gesehen, beispielsweise Ball im Savoy oder Viktoria und ihr Husar von Paul Abraham, Im Weißen Rössl von Ralph Benatzky und hin und wieder auch Frau Luna von Paul Lincke, dessen Marschlied von der Berliner Luft zumindest unter älteren (und vielleicht auch jüngeren) Berlinern beliebt sein dürfte.
Doch viel mehr kennen selbst Musikfreunde nicht von ihm. Wer aber mehr über Paul Lincke erfahren will, wird bei der Lektüre von Jan Kutschers Band reich belohnt werden: Viele unbekannte Details zu Lincke, seinem Leben, zu Umfeld und Zeitgeschichte hat der Praktiker Kutscher (Berliner Salonorchester Isola-Bella) engagiert, liebevoll und akribisch zusammengetragen. Wer weiß schon, dass es in den 1890er Jahren in Berlin das Belle-Alliance-Theater mit Sommerbühne, beleuchtet mit 20000 Gasflammen, gab und Lincke dort mit seiner Dirigiergewandtheit vom Direktor des großen Apollo-Theaters entdeckt wurde? 600 Mal wurde Frau Luna dort aufgeführt! Und wer weiß schon, dass Lincke einen eigenen Verlag gründete und sich damit nicht nur als Musiker, Kapellmeister, Komponist, sondern auch als Musikverleger verstand?
Jan Kutscher widmet nicht nur den diversen Theatern und dortigen Engagements, sondern auch den Lincke umgebenden Frauen und seinen Steuer- und Finanzakten jeweils ein ganzes Kapitel. Ergänzt mit einer Fülle von über 200 Abbildungen, Fotos, Briefen, Postkarten, Deckblättern zu Noten und Notenskizzen zeichnet Kutscher ein so weit wie irgend möglich vollständiges Bild von Lincke. Auch dessen Nähe zu den Machthabern des Dritten Reichs, darunter auch Joseph Goebbels, wird weder verharmlost noch aufgebauscht, sondern schlichtweg sachlich vorgestellt. Kutscher zeichnet damit ein umfassendes Bild des Menschen und Künstlers Paul Lincke.
Dessen Werke werden leider nur mit ziemlich allgemeinen Aussagen erwähnt, zum Beispiel:
zweifelsohne hatte Paul Lincke seinen Kompositionsstil. Allerdings wird dieser wegen der beim Publikum beliebtesten Werke ungerechtfertigter Weise meist auf seine Märsche und flotten Tänze im Zwei- oder Viervierteltakt verkürzt. Wenn man die sich leider nicht mehr allzu oft bietende Chance hat, beispielsweise eine seiner Operetten vollständig und in der Originalfassung hören zu können, ist man daher über deren musikalische Vielfalt erstaunt.
Und so gilt auch für dieses Buch: Die Musik Paul Linckes stört niemals, da sie an keiner Stelle hervortritt, wie das Berliner Tageblatt schon 1909 über die Premiere einer Revue von Lincke schrieb. Ob eines Tages ein Musikwissenschaftler neben diesen umfangreichen Einblick in Linckes Leben noch eine gründliche Betrachtung seiner musikalischen Werke stellt, bleibt abzuwarten.
Viola Karl