Paul Hindemith, Nino Rota, Dmitri Schostakowitsch, Sergei Rachmaninoff

Sonata for viola and piano, Intermezzo, Sonata for viola and piano, Daisies

Yuri Bondarev (Viola), Gabriele Leporatti (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Etera Classics
erschienen in: das Orchester 12/2017 , Seite 72

Für die Viola haben nicht viele große Komponisten herausragende Musik hinterlassen. Rasch fallen einem aus dem klassisch-romantischen Bereich die Konzerte von Stamitz und Hoffmeister ein – sie aber haben im Kulturbetrieb außer beim Probe­spiel keinen Platz. Bei Berlioz (Harold) geht das Solo immer mehr im Orchestersatz auf; dann aber wird es richtig rar. Obwohl viele bekannte Meister ausgerechnet die Viola selbst gespielt haben, gewinnt man den Ein­druck, dass erst im 20. Jahrhundert die wahren klanglichen Qualitäten des Instruments entdeckt wurden.
In diesem Sinn kann die Bedeutung von Paul Hindemith mit seiner langjährigen Tätigkeit als ausübender Musiker (zunächst Violine, dann Viola) wie auch seinem herausragen­den Schaffen kaum überschätzt wer­den. Bekannt ist wohl allgemein einer der radikalsten Sätze der Strei­cherkammermusik, über den Hindemith schrieb: „Rasendes Zeitmaß. Wild. Tonschönheit ist Nebensache“. Es handelt sich um den dritten Satz seiner Solo-Sonate op. 25/1 (1922). Der Rest dieser Komposition wie auch alle anderen Sonaten mit oder ohne Klavier sind leider kaum präsent – sie werden viel zu selten öffentlich gespielt und sind selbst auf Tonträger noch immer eine Besonderheit. Dies gilt merkwürdigerweise auch für die vergleichsweise frühe, mit Klavierbegleitung versehene Sonate op. 11/4 (1919): ein Werk, das Hindemiths kurzzeitiges Suchen zwischen den Stilen dokumentiert und gerade darum so interessant ist.
Um es gleich zu sagen: Für mich sind und bleiben wohl noch eine ganze Weile die Interpretationen von Kim Kashkashian unerreicht (1994, ECM). Daran muss sich auch Yuri Bondarev messen lassen, der seit 2009 als stellvertretender Solobratscher bei den Düsseldorfer Sym­phonikern wirkt. Denn trotz seines versierten Spiels und einer erstaunlichen Farbpalette wird man an seiner Einspielung jenes innere Müssen vermissen, das die Linien und ihre Entwicklung vorantreibt – weniger in dem als Fantasie konzipierten Kopfsatz als vielmehr in den weiteren, als Variationsfolge angelegten Sätzen.
Diese Beobachtung findet sich auch in Schostakowitschs Sonate op. 147 nachhaltig bestätigt, deren tragisch-existenzielle Dunkelheit sich nicht recht vermitteln will. Zwar stimmt alles, doch gelingt es Bondarev nicht, den unzweifelhaften Ausdruckscharakter an den Hörer heranzutragen. Ein wenig hat dies auch mit der zwar nahezu durchgehend verständigen, aber doch nicht immer wie ein eingespielter Duopartner wirkenden Klavierbegleitung von Gabriele Leporatti zu tun. Mir jedenfalls bleibt vieles zu pauschal und Ausdruck einer Sichtweise, die alles richtig machen will, dabei aber nicht auf das Risiko der vorderen Stuhlkante setzt. Dabei bietet gerade eine im Studio produzierte CD diese Möglichkeiten.
Lockerer erscheint denn auch Nino Rotas Intermezzo (1945) sowie die abschließende, verhaltene Rachmaninow-Bearbeitung Daisies op. 38/3.
Michael Kube