Arnold Pistiak
Paul Dessau
Ein Künstlerroman in 14 Bildern
Paul Dessau, Komponist Brecht’scher Schauspielmusiken: Jene (noch immer) verengende Rezeptionsperspektive weiten zu wollen, ist durchaus ehrenwert. Und dies mittels einer erzählenden Darstellung zu tun, in der reale und fiktionale Anteile sich mischen, mithin biografische Fakten nicht bloß aufgezählt werden – warum nicht. Das aber, was es hier zu lesen gibt, bleibt deutlich hinter solcherlei Ansprüchen zurück. Denn Arnold Pistiak erzählt den sogenannten „Lebensweg“ Paul Dessaus lediglich nach in Form ausschmückender, anekdotischer und ja, auch rührselig anmutender Szenen. Und da durchweg ein irgendwie altväterlicher Erzählton angeschlagen wird, wirkt das alles seltsam anachronistisch. (Zitat: „Der kleine Paul lächelte lieb. Mama, Papa, ich möchte Sänger werden, bitte, bitte. […] Und nun muss ich aufpassen, dass mir die Noten nicht abhandenkommen. Dass du hübsch bei mir bleibst, mein Köfferchen.“)
Biografisch-inhaltlich unverzichtbare Informationen mittels Figuren-Gedanken zugänglich zu machen oder in allerlei (erfundenen) Dialogen unterzubringen – erzähltechnisch kann das tragfähig sein. Der Autor jedoch setzt hier solches Verfahren nachgerade flächendeckend ein, dabei zwangsläufig sich ergebende Unstimmigkeiten ignorierend. Die eingangs eingeführte Erzählerfigur, die sich fortan aktiv einschaltet in die Erzählung, Figuren in Gespräche verwickelt und zudem die Leserschaft unmittelbar anspricht, ließe sich – mit viel gutem Willen! – noch als kühner Kniff werten. Allerdings ist auch dies erzähl-handwerklich einfach nicht solide genug ausgearbeitet. Das ist insbesondere deshalb bedauerlich, ja ärgerlich, weil auf diese Weise nun gerade kein ernsthaftes und stichhaltiges, sondern ein eher banalisierendes Bild des Komponisten Paul Dessau entsteht.
Dem Erzählfortgang entsprechend geht Pistiak zwar auf einzelne Kompositionen Dessaus ausführlicher ein: von der experimentellen Tonfilm-Musik Episode über Guernica für Klavier (1937), die Kantate Les Voix (1939) und das Deutsche Miserere, das erste gemeinsame Projekt mit Bertolt Brecht, entstanden 1943-1947 im amerikanischen Exil, bis hin zur Oper Die Verurteilung des Lukullus (1951). Allerdings: Zu beiläufig nur und ein der Sache angemessenes Niveau schlichtweg verfehlend ist von kompositorisch-ästhetischen Fragestellungen und Entscheidungen die Rede.
Die Existenz- und Arbeitsbedingungen von Kunstschaffenden, zumal jüdischer Herkunft, seit Beginn des frühen 20. Jahrhunderts über die Zeit im Exil bis hinein in die Nachkriegsjahre – in Dessaus Biografie scheinen sie symptomatisch auf. Pistiaks romanhafter Erzählung aber gelingt es kaum ansatzweise, die mit den Lebensstationen verbundenen Herausforderungen für das Selbstverständnis als Künstler, die Arbeitsschwerpunkte sowie die darin formulierten eigenständigen Problemlösungen substanziell zu kennzeichnen.
Fazit: Lohnende Lektüre sieht denn doch anders aus. Die Chance, sich in erzählerischem Zugriff der Komponistenpersönlichkeit Paul Dessau zu nähern, bleibt hier (leider!) ungenutzt.
Gunther Diehl