Ethel Smyth

Paukenschläge aus dem Paradies

Erinnerungen, hg. und aus dem Englischen übersetzt von Heddi Feilhauer

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: ebersbach & simon
erschienen in: das Orchester 04/2024 , Seite 64

Lange fristete die englische Komponistin und Dirigentin Ethel Smyth ein Schattendasein, erst seit einigen Jahren wird ihr Lebenswerk wiederentdeckt. Mit The Wreckers kam 2022 beim Glyndebourne Festival erstmals eine von einer Frau geschriebene Oper zur Aufführung. In der Berliner Philharmonie feierte das Stück wenige Monate später seine konzertante Deutschlandpremiere. Smyth wurden außerdem Symposien, Gesprächskonzerte und Podiums-diskussionen gewidmet.
Vom turbulenten Leben der Musikpionierin handelt das lesenswerte Buch Paukenschläge aus dem Paradies. Die Herausgeberin Heddi Feilhauer hat eine Textauswahl aus verschiedenen von Smyth verfassten Erinnerungsbänden ins Deutsche übertragen.
1858 als Tochter eines Generalmajors in der Nähe von London geboren, musste sie lange um Anerkennung als Komponistin kämpfen. Gegen den Willen ihrer Eltern setzte die Rebellin mit einem Hungerstreik durch, am Konservatorium in Leipzig studieren zu dürfen. Dort lernte sie Clara Schumann und Johannes Brahms kennen, von dem sie sich als Künstlerin jedoch nie ernstgenommen fühlte. Mehr von Frauen als von Männern angezogen, ging sie im Laufe ihres Lebens immer wieder lesbische Beziehungen ein, etwa mit der Pianistin und Sängerin Elisabeth von Herzogenberg, deren Ehemann Präsident des Leipziger Bach-Vereins war.
Von Peter Tschaikowsky ermutigt, wandte sie sich auch großen Orchesterkompositionen zu. Smyths erster bedeutender Erfolg war ihre Messe in D, die 1893 in der Londoner Royal Albert Hall aufgeführt wurde.
Obwohl sie von namhaften Dirigenten wie Thomas Beecham, Bruno Walter oder Arthur Nikisch gefördert wurde, hatte es Smyth schwer, sich als Frau in einer Männerdomäne zu behaupten. Bei der Uraufführung von The Wreckers 1906 in Leipzig wurden gegen ihren Willen erhebliche Kürzungen vorgenommen. 1910 schloss sie sich der Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst und ihren Suffragetten an. Nach einer Protestaktion kam sie für zwei Monate ins Gefängnis. Smyths March of the Women wurde zu einer Hymne der Frauenbewegung.
Eine fortschreitende Ertaubung führte dazu, dass sie sich später vor allem mit dem Schreiben ihrer Erinnerungen beschäftigte. 1944 starb sie im Alter von 86 Jahren. Ernüchtert blickte sie gegen Ende ihres Lebens auf ihr Schaffen zurück. Sie sei zwar berühmt geworden, aber „es ist mir dabei nicht gelungen, auch nur ein winziges kleines Rädchen im englischen Musikapparat zu werden“.
Corina Kolbe