André Messager

Passionnément

Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Stefan Blunier

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Palazzetto Bru Zane
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 75

Es geht um Liebe, Eifersucht, Wein und … Öl. In boulevardeskem Ton wird die Geschichte des reichen Amerikaners William Stevenson erzählt: Er reist nach Frankreich, um Robert Perceval ein Stück Land abzukaufen, unter welchem sich – was Robert nicht weiß – Erdöl verbirgt. Mit von der Partie ist auch Stevensons Frau Ketty, ein ehemaliger New Yorker Theaterstar, von William mit Argusaugen überwacht, auf dass sie nicht den „hemmungslosen“ französischen Schürzenjägern in die Hände fallen möge. Weiterhin treten auf: Roberts Geliebte Hélène, deren (gehörnter) Ehemann, die Kammerzofe der Stevensons und ihr „Ex“, der Kapitän des Schiffs, auf dem sich Teile der Handlung abspielen. Es kommt zu allerlei amourösen Abenteuern und Verwechslungen, in deren Verlauf die einzelnen Charaktere interessante Entwicklungen durchlaufen: Aus dem Macho Robert wird ein „passioniert“ Liebender, aus dem Businessman Stevenson ein leutseliger Grandseigneur, der, von Wein und Emotionen berauscht, am Ende einer Hochzeit von Ketty und Robert und noch weiteren Agreements zustimmt.
Das geistvolle Libretto von Maurice Hennequin und Albert Willemetz hat André Messager zu einer musikalischen Charmeoffensive inspiriert. Der hierzulande ­wenig bekannte Komponist André Messager (1853-1929) – Roland-Manuel bezeichnet ihn als „le plus strictement et le plus traditionellement français“ – war im Paris des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts für seine Operetten berühmt, wobei er selbst vor allem profit­orientierte Theaterdirektoren dafür verantwortlich machte, dass seine Werke, die er in der Tradition der Opéra-comique (mit Dialogen) sah, unter der Bezeichnung Operette feilgeboten wurden. Passionnément entstammt Messagers später Schaffensphase, dem ureigenen Ton seiner Musik sind einige amerikanische Wendungen subtil beigefügt. Die Couplets und Ensembles dieser Partitur sind kleine Wunderwerke in punkto Raffinement und Delikatesse. Dass insbesondere der „Titelsong“ – jener Liebeswalzer, in dem sich Ketty und Robert „passionnément“ anschmachten – bald nach der Uraufführung 1926 in Paris ein Hit wurde, lässt sich unschwer nachfühlen.
Ein erstklassiges Sängerensemble bringt Messagers Musik zum Erblühen, allen voran Veronique Gens als Ketty, Étienne Dupuis als sonor-viriler Robert und Éric Huchet als Stevenson, dessen Französisch durch ein amerikanoides „R“ eine besondere Färbung erfährt. Das Münchner Rundfunkorchester unter Stefan Blunier begleitet subtil und klangschön.
Die Publikationen des Palazzetto Bru Zane – einer Institution, die sich dem Erbe der französischen Musik und ihrer vergessenen Schätze widmet – sind bekannt für ihre opulent-bibliophile Ausstattung. Auch hier halten wir nebst der CD ein Buch in Händen, das in exzellenten Essays über Messager und sein Œuvre informiert. Für Kurzbiografien der beteiligten Sänger wäre vielleicht noch Platz gewesen? Ansonsten bleibt nur, beglückendes Hören zu wünschen!
Gerhard Anders