Edward Elgar
Partsongs/From the Bavarian Highlands
Chor des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Howard Arman
Wenn ein Engländer „Chorlieder aus dem bayerischen Hochland“ dirigiert, diese aus der Feder eines Engländers stammen und dann noch von einem bayerischen Chor eingespielt werden, muss das Konzept einer solchen CD einfach aufgehen. Und es funktioniert, zumal mit Howard Arman und dem Chor des Bayerischen Rundfunks Hochkaräter am Werk sind.
Die Lebensdaten des Komponisten Edward Elgar (1857-1934) weisen ihn als zwischen den Epochen stehenden Monolithen aus. Seine Tonsprache verbleibt im tonalen Rahmen, aber gelegentlich ist er schweifend auf der Suche nach Neuerung oder Ausbruch. So kommen etwa die bayerisch anmutenden ¾-Takt-Lieder From the Bavarian Highlands eher traditionell daher, ausgelöst auch durch die typisierende Klavierbegleitung. Elgar vertont hier Texte seiner Frau Alice, welche Eindrücke eines gemeinsamen Urlaubs in Garmisch zu Papier brachte.
Ganz anders dagegen, nämlich moderner gesetzt, erklingen Five Partsongs from the Greek Anthology. Hierbei zelebrieren die Herren des Bayerischen Rundfunkchors einen derart gepflegten Männerchor-Sound, dass man sich daran kaum satthören kann. Überhaupt ist der gesamte Chor bei allen zwanzig Liedern dieser CD in Hochform und entbietet einen präsenten, in sich geschlossenen, ausgewogenen und doch modulierfähigen Chorklang, eine hervorragende Textverständlichkeit sowie eine stupende Intonationssicherheit. Das alles ist nicht nur tadellos gemacht, es wächst gelegentlich über sich selbst hinaus. So kann das Ensemble mit hinreißender Innigkeit beim Wiegenlied Lullabay ebenso begeistern wie es very british den Männerchorsatz The Reveille vorexerziert. Und als Schlussstück vernimmt man das ebenso entrückt komponierte wie nicht minder abgehoben vorgetragene Chorlied The Prince of Sleep, welches Elgar nach dem Tod seiner Frau Alice vertonte. Bei einigen mit Frauenchor besetzten Liedern treten neben dem Klavier zwei Violinen hinzu. Das bringt eine wohltuende Farbvariante in den ansonsten reinen Chorklang.
Und auch das beigefügte deutsch-englische Booklet ist hervorragend gemacht. Dirigent Howard Arman höchstselbst gibt tiefe Einblicke in die Choraffinität seines Landsmanns Edward Elgar. Und er verfasst lesenswerte Kurzeinführungen zu den einzelnen Chorwerken, deren Liedtexte getrennt abgedruckt sind.
Bleibt die Frage nach dem Repertoirewert der Elgar-CD: Könnten diese Chorlieder gleichberechtigt neben Schlüsselwerke eines Johannes Brahms, Joseph Rheinberger oder Max Reger treten? Hier sind leise Zweifel angebracht, und zwar weniger des englischen Textes wegen. Elgars Kompositionslevel kann nicht bei allen Liedern dieser CD das Niveau der oben Genannten mithalten. Dennoch hätten es die meisten seiner Partsongs verdient, von aufgeschlossenen Chordirigenten als bemerkenswerte
Bereicherung der gängigen spätromantischen Chorliteratur entdeckt zu werden. Aber nicht nur deshalb hat sich die Produktion dieser CD gelohnt.
Thomas Krämer