Werke von Maurice Ravel, Claude Debussy, Benjamin Britten, Charles Koechlin und Henri Duparc

Parfum

Christiane Karg (Sopran), Bamberger Symphoniker, Ltg. David Afkham

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics 0300832BC
erschienen in: das Orchester 09/2017 , Seite 75

Sehnsuchtsvolle Stimmungsbilder voll verhaltener Melancholie, das Flirren von Hitzewellen in sommerlich schwülen Mittagswelten, Märchen voll Exotik und impressionistische Landschaften treten vor das Auge, sobald die Sopranistin Christiane Karg die ersten Takte ihrer neuesten CD-Einspielung Parfum klangmalt. Die in Feuchtwangen in Bayern geborene Sopranistin gilt derzeit als eine der gefragtesten lyrischen Sopranistinnen der Welt und wurde vielfach ausgezeichnet für ihre Interpretationen auf der Opernbühne und als Lied-, Konzert- und Oratoriensängerin. Sie tritt rund um den Globus von der Carnegie Hall in New York bis zum Wiener Konzerthaus auf, 2016 debüttierte sie an der Mailänder Scala im Rosenkavalier, regelmäßig ist sie zu Gast an der Münchner Staatsoper und der Semperoper Dresden sowie bei den Salzburger Festspielen.
Eine knappe Stunde lang entfüh­ren Kargs wunderbar nuanciert eingesetzter lyrischer Sopran und die Bamberger Symphoniker, die sie un­ter dem Dirigat von David Af­kham sensibel begleiten, die Hörer in die musikalischen Reiche der Poesie. Und tatsächlich gibt es keinen einzigen Störfaktor, der einen daran hindern könnte, sich der Schönheit dieser Klänge vollkommen hinzugeben: Beinahe flüsternd, wie von weit her, intoniert Karg Ravels weltberühmtes Asie drei Mal, bevor das Orchester sie wie eine schnurrende Katze sanft umschleicht. Nie aufdringlich, jedoch stets eindringlich und voll dichter Klanglichkeit weben die Streicher feine Nuancen wie im Sonnenwind wehende Stoffe um ihren Gesang, filigran wie Brokatspitze ziehen die Bläser zwischenrein farbige Streifen. Die Tempi sind durchweg langsam. Bis auf wenige Ausbrüche, die sich weitläufig anbahnen, bewegt sich das Orchester in sanftem Auf- und Abwallen zwischen zartestem Pianissimo und fülligem Mezzoforte. Christiane Karg bindet sich ein, erhebt sich, taucht wieder hinab, führt ihre wundervoll ausgeglichen timbrierte Stimme geschmackvoll mit ruhiger Gelassenheit durch die musikalischen Tableaus, wobei sie den französischen Text klar und verständlich artikuliert.
Selten hörte ich auch Claude Debussys Le Livre de Baudelaire und die Quatre Chansons Françaises von Benjamin Britten so differenziert, hingebungsvoll und doch intensiv musiziert wie hier, wobei wir uns nun mit Britten durch die solide Basis aus Bassklängen wieder mehr auf der Erde und im Konkreten bewegen. Wie diesen ersten Musiken liegen auch den weiteren Programmpunkten, Charles Koechlins „Épiphanie“ aus Trois Mélodies op. 17 und Henri Duparcs L’Invitation au Voyage, La Vie anterieure und Phidyle französische Gedichte aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Grunde. Die französische Eleganz spricht die Sprache der Fantasie, des Augenblicks und der Vergänglichkeit, die zu musikalischem Ausdruck geradezu einlädt.
Christiane Karg erhielt 2016 für ihre CD-Einspielung Scene! einen Echo-Preis für die beste Solointerpretation vokal; es verwunderte mich nicht, wenn sie durch vorliegende CD eine weitere Auszeichnung erhielte.
Kathrin Feldmann