Werke von Manuel de Roo, Josef Haller, Hannes Kerschbaumer und anderen
Paradies & Hoffnung
Maria Erlacher/Heidrun Mark (Sopran), Ivana Pristašová (Violine), Kammerchor Innsbruck, Vocappella Innsbruck, Vokalensemble Stimmen, Tiroler Kammerorchester InnStrumenti, Ltg. Gerhard Sammer
Tönende Zeitzeichen aus der seit 1919 politisch geteilten Kulturlandschaft Tirol dringen eher selten außer Landes. Es sei denn auf den „Klangspuren“ des Innstädtchens Schwaz. Oder auf der Fährte des Tiroler Kammerorchesters InnStrumenti aus Innsbruck, das grenzüberschreitend Genres, Epochen, Generationen, Publikumsschichten und Institutionen verbindet.
Das Inntal beheimatet zudem Chöre überregionalen Ranges: den Kammerchor Innsbruck, die Vocappella Innsbruck und das Vokalensemble Stimmen. Einzeln und gemeinsam mit den InnStrumenti bereichern sie das Musikleben des österreichischen Bundeslandes Tirol und der autonomen Provinz Bozen/Südtirol. Ihr Wirken schafft ein musikkulturelles Klima, das den hüben und drüben lebenden Komponisten in die Hände arbeitet.
Unter ihrem charismatischen Dirigenten und Hochschullehrer Gerhard Sammer strahlen die InnStrumenti mit verführerischen Konzertformaten, Programmideen und Themenreihen weit über Tirol hinaus. Eine der Letzteren, vom Label Helbling sorgsam dokumentiert, widmet sich neuen Kompositionen für Kammerorchester. Die achte CD dieser Reihe wirbt mit einem zu Coronazeiten besonders ansprechenden Titel: Paradies & Hoffnung. Vier der fünf für kirchliche Räume gedachten Werke beziehen die erwähnten Vokalensembles mit ein.
In seinem unruhegehetzten, doch geläutert ausklingenden Stück für Sopran, Chor, Streichorchester und Schlagwerk KAIN, schöner Planet schürft der Niederländer Manuel de Roo (*1979) nach Spuren der Hoffnung im Schlagschatten des Sündenfalls. Als jüngster Beiträger der Sammlung zehrt der Südtiroler Pianist und Komponist Josef Haller (*1993) in seinem ähnlich besetzten Klagegesang Naenia von der Sprachgewalt des Psalters. Werkauslösend waren hier Jammer, Not und Tod Flüchtender – von Abraham und Isaak bis zu den Opfern gegenwärtiger Schlepperbanden. Seine Affektskala changiert stufenreich zwischen starrem Geflüster und Entsetzensschrei, Verlorenheit und Erlösungsvision.
Nach der Vorhalle frühchristlicher und byzantinischer Kirchen benannt, ist das Kammerorchesterstück Narthex mit zwei Soloklarinetten des nahe Innsbruck lebenden Südtirolers Hannes Kerschbaumer (*1981), der bei Beat Furrer in Graz und Georg Friedrich Haas in Basel studierte, ein betörendes Raumklangstück, das vom spröden Diesseits in eine Sphäre paradiesischer Mystik hinübergleitet.
Et nox, ein sechsteiliger Hymnus des Innsbrucker Erich-Urbanner-Schülers Sebastian Themessl (*1975) nach Ambrosius von Mailand für Frauenchor und Kammerorchester, verleiht der lateinischen Versdichtung altmeisterliche Würde. Die symphonische Skizze Das Paradies im Tod des Südtirolers Christian Gamper (*1978) über ein heimisches Volkslied mit Frauenchor durchlichtet das Ritual des Abschiednehmens mit Klangschalen einer Innsbrucker Glockengießerei.
Lutz Lesle