Christine Fornoff-Petrowski/ Melanie Unseld (Hg.)
Paare in Kunst und Wissenschaft
Der Titel des Buchs nennt das Thema. Es versammelt 16 Texte; 15 stammen von Frauen, einer von einem Mann. Ob man sich bei dieser Quote etwas denken soll, muss offen bleiben. Eines ist klar: Die Aufsatzsammlung versteht sich als Beitrag zur sogenannten Genderforschung – Band 18 in der Reihe
„Musik – Kultur – Gender“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte das Projekt „Paare und Partnerschaftskonzepte in der Musikkultur des 19. Jahrhunderts“.
Die vorliegende Publikation wurde maßgeblich vom Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung der Universität Wien ermöglicht. In vier Blöcke gegliedert, erfährt der Leser etwas über: 1. Schreiben über Paare. 2. Schreiben als Paar, 3. Selbst-/Inszenierungen, 4. Konstellationen/Familien/Netzwerke.
Im ersten Block wird beispielsweise über die Paarbeziehung von Ignaz und Charlotte Moscheles berichtet; Giuseppe Verdi und Giuseppina Strepponi lernt man als paarige „Stimmen der Revolution“ kennen und im komplizierten Verhältnis zwischen Goethe und Frau von Stein wird ein Lustspiel aus ihrer Feder interpretiert und als „Quelle von Paarkonzepten und Diskurslexikon“ gelesen.
Es ist ein – was das auszuwertende Material angeht – also recht zufälliges Durcheinander aus zwei Jahrhunderten. Es wird zusammengehalten, weil Paare vorkommen, weil Kultur mitschwingt und weil Männer- und Frauenrollen sichtbar werden. Dies geschicht jedoch alles nur in vagen Umrissen, was an der Methode beziehungsweise ihrer Abwesenheit liegt. So wird, was vorliegt, über weite Strecken paraphrasiert. Damit der Eindruck von Wissenschaft verstärkt wird, tritt es in einer anderen, modernen, ja modischen Sprache auf. Das sind aber nur Vokabeln, keine Begriffe und vor allem sind es keine Analysen. Die Ergebnisse der Interpretationsbemühungen kommen über „es könnte sein“ und „möglicherweise“ nicht hinaus.
Wer mit kulturwissenschaftlichen Untersuchungen vertraut ist, weiß, wie viele Tücken die Quellen bereithalten für den, der zu verstehen und erklären versucht. Können wir wirklich nachvollziehen, was eine Ehefrau des 19. Jahrhunderts in Briefen und Tagebucheintragungen ausdrückt, wenn sie ihre bedingungslose Unterstützung der Karriere ihres Ehemanns betont? Tritt sie hinter ihn zurück? Wurde sie an einem eigenen Leben in Kunst, Wissenschaft und Öffentlichkeit gehindert? Aus moderner Sicht vielleicht. Und von außen betrachtet natürlich auch. Doch in Paarbeziehungen kann man nicht reinschauen. Genau hier kommt es auf die Methode an: Rechtsgeschichte (eine Fundgrube in Sachen Eheerlaubnis und Scheidungsrecht), Sozialgeschichte und Psychohistorie müssen in die Interpretationen verankert werden, um Erkenntnisse produzieren zu können. Ohne das bleibt es bei Literatur über Literatur über Literatur. Und – man muss es leider sagen – mit vorhersehbarem Ergebnis. Heißt: Hier herrscht mehr Ideologie als Wissenschaft!
Wer dieses Buch nicht liest, dem entgeht nichts von Bedeutung.
Kirsten Lindenau