Rossini, Gioacchino

Overtures/ Andante e tema con variazioni

Orchestra dell’Accademia Nazionale de Santa Cecilia, Ltg. Antonio Pappano

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Warner Classics 0825646243440
erschienen in: das Orchester 09/2015 , Seite 77

Dies ist wirklich eine gelungene Neueinspielung von Rossini-Ouvertüren. Dirigiert hat sie Antonio Pappano, gefeierter Musikdirektor am Royal Opera House Covent Garden in London und seit 2005 auch Chef des Orchestra dell’Accademia Nazionale de Santa Cecilia in Rom. In einer „persönlichen Note“ dankt er im Booklet dem römischen Orchester für die „direkte Verbindung“ zu Rossinis Musik. Besonders den Holzbläsern spricht er großes Lob aus.
Diese Vertrautheit des wohl einzigen italienischen Toporchesters im Konzertbereich ist akustisch nacherlebbar. Zur Hälfte handelt es sich bei dieser CD um Livemitschnitte aus der Sala Santa Cecilia im Auditorium Parco della Musica in Rom. Pappano liebt diese Unmittelbarkeit, die das Konzerterlebnis möglichst nah abbildet. Beim genauen Hinhören (etwa mit Kopfhörer) nimmt man sogar das Umblättern der Noten und seinen Atem wahr. Mehr live geht nicht, der Klang ist dabei erstaunlich klar und transparent.
Bei der Interpretation setzt der Brite italienischer Abstammung auf sein langjähriges Know-how als Operndirigent. Lebendigkeit, ein „sprechender“ Ton und Kantabilität zeichnen diesen Rossini aus. Die Holzbläser – vom tiefen Fagott bis zur hohen Piccoloflöte – leisten Erstaunliches an Virtuosität, Phrasierungskunst und Agogik. Doch auch die Hörnergruppe und die Streicher sind top. Alle profitieren von jener kreativen Freiheit, die Pappano auch seinen Sängern auf der Bühne gönnt.
Die sieben ausgewählten Ouvertüren, aufgenommen zwischen 2008 und 2014, stammen aus unterschiedlichen Lebensphasen Rossinis und sind chronologisch geordnet, von der frühen italienischen zu La scala di seta (1812) bis zur französischen zur „Grand Opéra“ Guillaume Tell (1829). So nimmt auch die Opulenz der Orchestration zu. Die schnellen Tempi versieht Pappano mit trockenen Akzenten und achtet auf Durchsichtigkeit des Orchestergewebes; so in der sehr sinfonischen und umfangreichen Ouvertüre zu Le siège de Corinth (1826). Aus seinem Erfahrungsschatz weiß er aber auch, wie er den Geschwindmarsch der durchaus plakative Guillaume-Tell-Ouvertüre anpackt und den Stringendo-Schluss klug untergliedert.
Die frühen italienischen Ouvertüren sind bekanntlich einfacher gebaut. Sie leben vom sprudelnden Buffo-Ton, der aus minimalistischen Motiven heraus gezaubert wird. Auch das gelingt überzeugend, dynamisch mitreißend und immer wieder fein in den Solo-Passagen etwa von Il Signor Bruschino oder La Cenerentola. Auch der vielgespielten Barbiere-Ouvertüre entlockt das Orchester neue Frische. Eine Rarität ist die Zugabe, das frühe Andante e tema con variazioni (1812), eine instrumentale Opernszene für ein Quartett aus Flöte, Klarinette, Fagott und Horn. Es ist Rossinis einzige Komposition für diese aparte Besetzung (der Noten-Einzeldruck von Bärenreiter wurde in das Orchester 5/2009, S. 66, besprochen).
Matthias Corvin