Franz Schubert
Overtures and Orchestral Works
Kammerorchester Basel, Ltg. Heinz Holliger
Im Rahmen der Gesamteinspielung aller Sinfonien von Franz Schubert mit dem Kammerorchester Basel unter der Leitung von Heinz Holliger entstand das vorliegende sechste Album. Es beschließt den Zyklus mit einer Gegenüberstellung von Schuberts erster und seiner letzten Orchesterkomposition. Holliger wählte die Aufnahme der Ouvertüre D-Dur D 12 absichtlich als Abschluss des Projekts, da vorherige Erfahrungen und das Eintauchen in Schuberts Klangwelten unabdingbar waren für das Verständnis und die Interpretation dieses großartigen, jedoch schwierigen Werkes. Das Basler Kammerorchester präsentiert hier die Ouvertüre nuanciert zwischen kraftvoller Dramatik und hingebungsvoller, zarter Melodieführung.
Es bleibt immer ein Wagnis, unvollendete oder nur fragmentarisch erhaltene Kompositionen großer Meister zu bearbeiten und abzuschließen. Roland Moser (geboren 1943) begann sich bereits vor 40 Jahren mit den erhaltenen Fragmenten zur D-Dur-Sinfonie D 936A auseinanderzusetzen und traute sich schließlich an eine Bearbeitung, die nun als Weltersteinspielung vorliegt. Skizzen zu unterschiedlichen sinfonischen Entwürfen in D-Dur sind in der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde Wien zu finden. Erst genaue Recherchen zum Alter des verwendeten Papiers konnten die zu datierenden Elemente auf 1828 zuordnen: Sie fallen in das Sterbejahr Schuberts. Sie gilt somit als seine letzte Sinfonie. Für den Konzertgebrauch wurden die Entwürfe bereits von Peter Gülke sowie Brian Newbould rekonstruiert.
Roland Moser findet einen ganz eigenen Weg der Ergänzung und des Arrangements. Er versucht das Fragmentarische, alles in Frage Stellende zu erhalten und mit unterschiedlichen Instrumentationen darzustellen – im Allegro in der Verbindung von Kammermusik und Orchester, das Andante bruchstückhaft als Klangbild in Orchesterfassung und – außergewöhnlich als Streichquintett besetzt – das Scherzo. Es gelingt ihm, die Offenheit des Unvollkommenen zu bewahren und die Solist:innen und Orchestermitglieder zeigen sich diesem Anspruch in höchstem Maße gewachsen.
Das Grand Duo C-Dur D 812 in der Bearbeitung von Gabriel Bürgin (1956-2010) für neun verschiedene Instrumente (Bläserquintett plus Streichquartett und Kontrabass) erklingt als, vor allem für die Streicher, anspruchsvolle Fassung. Noch heute rätseln Experten, ob diese Sonate für Klavierduo nicht eigentlich als Sinfonie gedacht war. Bürgin durchleuchtet feinfühlig Schuberts Genialität. Den Interpret:innen gelingt eine schlüssige Gestaltung.
Im Booklet zur CD kann ein aufschlussreiches, von Roman Brotbeck geführtes Gespräch mit Heinz Holliger und Roland Moser verfolgt werden. Das Album bietet eine ideenreiche Klangvielfalt, die in keiner Schubert-Sammlung fehlen sollte.
Ingrid Ploss