Carl Maria von Weber

Ouvertüren und Arien/ Konzertstück f-Moll für Klavier & Orchester op. 79

Anna Prohaska (Sopran), Martin Helmchen (Klavier), Konzerthausorchester Berlin, Ltg. Christoph Eschenbach

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Alpha Classics 744
erschienen in: das Orchester 11/2021 , Seite 75

Der zweite Lockdown verhinderte mehrere Wiederaufnahmen zum Jubiläum der Freischütz-Uraufführung vor 200 Jahren – z. B. in Dresden, an der Lindenoper Berlin und die der umstrittenen Inszenierung von Kay Voges in Hannover. Auf der Jubiläums-CD liefert Christoph Eschenbach mit dem Konzerthausorchester Berlin und Anna Prohaska – 2020/21 dort Artist in Residence – einen Streifzug durch Webers Schaffen, das dem theatralen Anlass des früheren Königlichen Schauspielhauses ebenso gerecht werden will wie dessen heutiger Funktion als Konzertsaal. Für Letztere steht Webers Konzertstück f-Moll – ein Virtuosenstück, das Martin Helmchen und der Chefdirigent vom Gendarmenmarkt mit glanzvoll facettenreicher, aber nicht überzüchteter Grandezza adeln. Der hochgestimmte Feier- und Freudenton überstrahlt die von entstehungszeitlichen Hörern als originär und pittoresk empfundenen Akzente der Ouvertüren (neben der Freischütz-Ouvertüre sind die Ouvertüren zu Rübezahl und Oberon zu hören). Mit dem im romantischen Repertoire bestens erfahrenen Klangkörper geht es um Feiern, Freude und Brillanz. Weber wird vor allem schöner Klang. Das gilt sogar für abgründige Stellen wie denen der Freischütz-Ouvertüre bei der motivischen Einführung des teuflischen Samiel und des Wilden Heers.
Die CD ist ein Trostpflaster für den entfallenen Festakt anlässlich der 200. Wiederkehr des Jahrestags der Eröffnung des Königlichen Schauspielhauses, zumal das Konzerthausorchester bei der szenischen Freischütz-Aufführung zu den Lichteffekten und szenografischen Bewegtheiten eher begleitende Funktion hatte.
Eschenbach enthebt die beiden Ännchen-Arien der Sphäre des schlichten Singspiels. Für den Berliner Publikumsliebling Johanna Eunike, die im Alten Schauspielhaus vor dessen Brand 1816 die Titelpartie von E. T. A. Hoffmanns Undine gesungen hatte, komponierte Weber kurz vor der Freischütz-Uraufführung eine zweite Arie, um der Partie Ännchens neben der weiblichen Hauptfigur Agathe ebenbürtiges Gewicht zu geben. Anna Prohaska nimmt, wie mit ihrer Vitellia in La clemenza di Tito bei den Salzburger Pfingstfestspielen bestätigt, allmählich Abschied von den leichten Sopran-Fächern. Mit der Solo-Oboe im „Burschen“-Lied und der Solo-Viola in der Kettenhund-Ballade bestätigt sie, dass Agathes „junge Verwandte“ durchaus Gewichtiges zu sagen hat. Prohaska legt in den Koloraturketten gegen Ende und in der Coda an Kraft zu und führt das mehrsätzige Stück in einen glanzvollen Abschluss.
Als Hommage zum Konzerthaus-Jubiläum in schwieriger Zeit setzt diese CD ein Zeichen – ebenso wie Christoph Eschenbach mit seiner klaren, gut strukturierten und spielfreudigen Sicht auf Weber, die dem Virtuosen größere Beachtung schenkt als dem Erfinder eines neuartigen musikalischen Kosmos gespenstischer Grautöne.
Roland Dippel