Otto Schenk
Wer’s hört, wird selig
Musikalisches und Unmusikalisches
Marcel Prawy ist schon länger tot. Ioan Holender dreht hochaktiv gute TV-Kultursendungen bei einem grässlichen Privatsender. Alfred Wopmann hat nach zwanzig Jahren höchst erfolgreicher Intendanz bei den Bregenzer Festspielen Besseres zu tun. Da bleibt im österreichischen Kulturkreis nur Otto Schenk, der in der Welt der Oper eine lange und internationale Rolle gespielt hat.
Nachdem er 2006 Ein Stück aus meinem Leben veröffentlicht hat, 2010 Notizen aus meinen ersten 80 Jahren folgten und er 2014 wissen ließ: Ich bleib noch ein biss’l: Flüssiges und Überflüssiges – da war klar, dass der Wiener „Musik(ver)führer“ Schenk über etliche andere Bücher hinaus immer noch ein paar Anekdoten, Begegnungen und bislang Unbekanntes parat hat. All das durfte er nun veröffentlichen.
Es ist eine Bonbonniere aus Pralinen geworden, die irgendwie alle mit Musik, Oper und ihren Künstlern zu tun haben. Es gibt zwar Kapitelüberschriften, aber es geht auch fröhlich unterhaltsam quer durcheinander. Der Opernfreund freut sich über das Personenregister: Da kann er sich die bunt verstreuten bis zu zehn Stellen über Paul Schöffler, Waldemar Kmentt, Gundula Janowitz oder Karl Ridderbusch zusammensuchen. Die vier Namen stehen auch für ein Faktum: Schenk schreibt über eine Künstlergeneration, die nur der „Silbersee“ seines Lesepublikums noch kennt – die Ergrauten, die von etwa 1955 bis in die 1990er Jahre in die Oper gingen. Sie finden Hübsches und Unbekanntes über Erich Kunz, Sena Jurinac, Eberhard Waechter, Lucia Popp, Birgit Nilsson, Wolfgang Windgassen oder Franco Corelli. Daneben steht dann auch Verzichtbares wie die von einem erfundenen „Kurti“ erzählte Zauberflöten-Handlung, oft auch nur Nettes und auch mal so Schiefes wie „Der andere Weg, der ins Volk abgedriftet ist, Pop, Jazz und die Volksmusik, lebt von der klassischen Musik…“ Da kann der Jazzkenner nur die Augen verdrehen und zu fundierter Fachlektüre greifen.
Überhaupt Fachliches: Wer vom einst international tätigen Regisseur Gehaltvolles zu „Musiktheater“ erhofft, wird enttäuscht. „Krankhafter Realist“ nennt Schenk sich selbst – und so sahen seine frühen und besten Inszenierungen von La Bohème, Rosenkavalier, Figaros Hochzeit oder Liebestrank bis in die 1980er Jahre auch aus. Dementsprechend hat er ab da hauptsächlich an der New Yorker Metropolitan Opera inszeniert, wo Pseudo-Realismus mit einigen „modernen“ Accessoires geschätzt wurde und wird. Die Werk-Neusichten der Generation Neuenfels-Kupfer-Konwitschny-Guth-Loy-Herheim und andere sind nicht seine.
Schenk sieht sich selbst in seinem Unterhaltungs- und Musikverständnis als „Narrenseele“. So liest sich das unterhaltsame Buch mit seinen vielen schönen Abbildungen.
Wolf-Dieter Peter