Werke von Mozart, Verhey und Gieseking

Origins – Ursprünge

Ensemble 4.1: Thomas Hoppe, (Klavier), Jörg Schneider (Oboe), Alexander Glücksmann (Klarinette), Fritz Pahlmann (Horn), Christoph Knitt (Fagott)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Arcantus arc 15001
erschienen in: das Orchester 03/2016 , Seite 78

Mit dem Ensemble 4.1 betritt ein neues, seit 2013 bestehendes Kammermusikensemble das Podium, das sich der seltenen Gattung Bläserquartett mit Klavier verschrieben hat. Die Bläser des Ensembles bekleiden Solo-Positionen in verschiedenen Orchestern: der Oboist Jörg Schneider bei der Jenaer Philharmonie, der Klarinettist Alexander Glücksmann bei den Berliner Symphonikern, während Fritz Pahl in Weimar als Solo-Hornist und Christoph Knitt bei der Kammerphilharmonie Potsdam als Fagottist engagiert ist. Hinzu kommt der Pianist Thomas Hoppe, der einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin innehat und Klavierbegleiter namhafter Interpreten ist. Außerdem ist er Mitglied des Atos Trios.
Für die Debüt-CD hat das Ensemble neben dem die Gattung 1784 begründenden Quintett Es-Dur KV 452 von Wolfgang Amadeus Mozart zwei weniger bekannte Werke ausgewählt. Das viersätzige Quintett Es-Dur op. 20 des Niederländers Theodoor Verhey, der von 1848 bis 1929 lebte, erlebt dabei zugleich seine Weltersteinspielung. Es ist vor 1884 entstanden und zeigt einen Komponisten, der seine Stärke im Melodischen hat. Der erste Satz hebt aus der Tiefe im Fagott spannungsvoll mit einem leicht chromatischen Thema an, das den elanvollen Satz beherrscht, der nur von einer Staccato-Passage kontrastiert wird. Das Klavier dient mit einem akkordisch geprägten Satz vornehmlich der Klangfülle, die mitunter über das Kammermusikalische hinausgeht. Die Musik Verheys ist zwar ohne Überraschungsmomente, aber sie verströmt ein Pathos, das den Hörer mitzieht. Sie gewinnt im dritten Satz an Abwechslung und im Schlusssatz an motivischer Dichte und virtuoserer Gestaltung.
Dass der legendäre Pianist Walter Gieseking (1895-1956) sich auch als Komponist betätigte, ist weithin unbekannt. Erst in den vergangenen Jahren hat man seine Werke zur Kenntnis genommen und veröffentlicht. Sein Quintett B-Dur stammt aus dem Jahr 1919 und zeigt ihn als interessanten, der Spätromantik und dem Impressionismus verhafteten talentierten Komponisten, der dabei sein eigenes Instrument keineswegs in den Vordergrund stellt. Das dreisätzige Quintett ist sehr abwechslungsreich instrumentiert und formal recht frei gestaltet. Besonders beeindruckt der dritte Satz mit turbulentem Beginn, rhythmischer Vitalität und espritvoller Gestaltung; ein Satz, der den Geist des französischen Divertissements der Zwanzigerjahre atmet. Eine unterhaltsame Musik auf hohem spieltechnischen und kompositorischen Niveau!
Mozarts Quintett KV 452 wird vom Ensemble 4.1 mit klarer Artikulation und musikantischem Zugriff interpretiert. Insgesamt trägt die Spielfreude des Ensembles entscheidend zum Gelingen der Debüt-CD bei. Nicht ganz ausgewogen ist die klangliche Balance der Aufnahme durch die etwas zu dominante Oboe und das ein wenig in den Hintergrund gerückte Klavier, während die Mittelstimmen noch etwas mehr musikalisches Profil zeigen dürften.
Heribert Haase