Ravel, Maurice

Orchestral Works. Gaspard de la nuit / Menuet antique / Valses nobles et sentimentales / Pavane pour une infante défunte

Rubrik: CDs
Verlag/Label: MDG 901 1820-6
erschienen in: das Orchester 09/2014 , Seite 81

Reine Orchesterwerke gibt es von Maurice Ravel relativ wenig, wie überhaupt dessen Œuvre von nur etwa 70 Kompositionen übersichtlich wie erlesen ist. Einiges, das er ursprünglich für Klavier geschrieben hatte, orchestrierte er noch erst viele Jahre später. Für einen Pianisten und Tonkünstler, der am Klavier komponierte, wohl einerseits eine beinahe logische Konsequenz. Andererseits spiegelt sich darin auch der Wunsch, die Komposition für die scheinbar unerschöpflichen Möglichkeiten des modernen Orchesterklangs auszuloten.
So liegt der Entstehungszeitraum 1911 (Klavier) und 1912 (Orchesterfassung) bei den Valses nobles et sentimentales noch recht nah beisammen, während bei der Pavane pour une infante défunte (1899 und 1910) bereits ein Zeitraum von etwa elf Jahren klafft. Das frühe Menuet antique von 1895 (Ravels erstes veröffentlichtes Werk) orchestrierte er gar erst 1929. Selten aber, wie etwa bei La Valse, entstand die Bearbeitung für Klavier erst nach der Orchesterpartitur.
Nun sind u.a. jene drei genannten Instrumentalwerke – allesamt sind dem Tanz verpflichtet – jüngst von den Bielefelder Philharmonikern unter der Leitung von Alexander Kalajdzic beim Label Dabringhaus und Grimm neu eingespielt worden, welche die einzigartige und elegant wirkende Orchestrierungskunst Ravels hörbar machen. Fein herausgearbeitet, mit den Streichern und mit den Klangfarben der Bläser detailgenau abgetönt, ohne die Palette zu grell werden zu lassen, erscheinen die einzelnen Walzer. Gleiches gilt auch für das nachfolgende antike Menuett und die oft eingespielte Pavane, die mit sahnigem Schmelz eines gemütlichen Hornklangs daherkommt. Soweit die Ravel’schen Bearbeitungen.
Und so birgt die Aufnahme ein weiteres Werk Ravels – die 1908 komponierte Gaspard de la nuit –, welches indes nicht von ihm, sondern vom rumänisch-französischen Komponisten Marius Constant im Jahr 1990 orchestriert wurde. Die drei Gedichte in Prosa (Ondine, Le Gibet – Der Galgen und Scarbo) von Aloysius Bertrand handeln von Geheimnissen, Zauberei und nächtlichen Visionen. Die vorliegende Fassung kommt der Ravel’schen Orchestersprache ziemlich nahe, signifikante, fein eingesetzte Klangfarben und Instrumente erinnern im ersten Satz beispielsweise an Daphnis et Chloé, manches im letzten Satz könnte aus Alborada del grazioso oder aus der Rapsodie espagnole stammen. Wiederum andere erinnern aber auch an die Instrumentation von später Geborenen wie Silvestre Revueltas in dessen Nacht der Maya. Constant erweist sich als Meister der farbigen und würzigen Instrumentationskunst, ohne einfach nur Ravel zu kopieren. Die Bielefelder Philharmoniker mit Alexander Kalajdzic setzen die raffinierte und transparente Tonsprache hier wie auch bereits in den vorigen Werken intelligent und mit sehr viel Gespür für kleine Nuancen überzeugend um. Wirklich eine lohnende Bereicherung impressionistischer und fantastischer Orchestermusik.
Werner Bodendorff