Adolf Jensen

Orchestral Works

Philharmonie Baden-Baden, Ltg. Pavel Baleff

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 15347
erschienen in: das Orchester 09/2015 , Seite 78

Der Komponist Adolf Jensen ist einer jener Kleinmeister der Musikgeschichte, die zu Lebzeiten durchaus Beachtung fanden und geschätzt wurden, nach ihrem Tode indes schnell in Vergessenheit gerieten. Heute dürfte der Name nur Experten noch etwas sagen oder jenen „Ausgräbern“, die sich liebevoll damit beschäftigen, komponierenden Mauerblümchen ästhetische Gerechtigkeit zukommen zu lassen.
Nicht selten finden sich an der Spitze dieser Bewegung Interpreten – im Falle des Romantikers Jensen die Philharmonie Baden-Baden und ihr Chefdirigent Pavel Baleff –, die sich der „Kleinen“ annehmen. Für das CD-Label Genuin hat der Klangkörper nun erstmals die Orchesterwerke des 1837 im damals preußischen Königsberg geborenen Komponisten eingespielt. Und sich dabei auf gehöriges Glatteis begeben.
Denn Jensens Schaffen ist vor allem auf Lied- und Klavierkompositionen fokussiert. Streng genommen existiert nur ein symphonisches Werk aus seiner Feder, Der Gang nach Emmaus op. 27, von ihm als geistliches Tonstück apostrophiert, eine 1862 geschriebene Sinfonische Dichtung, in Anlehnung an das hochverehrte Vorbild Franz Liszt. Mit diesen 20 Minuten Musik ist indes keine CD zu füllen. Und so bedarf es eines Kunstgriffs: Zu hören ist außerdem die vierteilige Hochzeitmusik op. 45, von Jensen ursprünglich für Klavier zu vier Händen komponiert, von dessen Zeitgenossen Reinhold Becker später orchestriert, sowie Ouvertüre, Vorspiel zum 2. Akt und Ballettmusik der Oper Die Erbin von Montfort.
Beim Hören der CD offenbart sich indes alsbald ein großes Dilemma – das der unbedingten Genauigkeit. Es gilt für die Musik an sich wie für ihre Interpretation: Der Komponist, ein Freund Brahms’, wollte stets Stücke ohne „den geringsten Makel“ schaffen. Und die Philharmonie Baden-Baden verliert sich in Akkuratesse. Jeder Strukturverlauf ist offenkundig, alles überwiegend sauber ausformuliert bei hoher Transparenz des Klangs. Überraschende Wendungen aber, dynamische Extreme oder ausgetüftelte Stimmungsbilder fehlen schmerzlich.
Die Orchestrierung seiner Hochzeitsmusik hat Jensen durchaus gebilligt, vor allem deren Klangschönheit, die in manchem an Mendelssohn Bartholdys Sommernachtstraum-Ästhetik erinnert. Dennoch wirkt alles wie konstruiert. Und die beinahe analytische Herangehensweise des Orchesters verstärkt diesen Eindruck fatal. Das Schöne gibt sich harmlos.
Der Gang nach Emmaus wiederum, die in Töne gegossene Geschichte der beiden Jünger, die das leere Grab Jesu vorfinden, der später zum Trostspender seiner ängstlich trauernden Getreuen wird, diese so lyrische wie erhabene und nervös raunende Musik, wirkt oftmals redundant, ähnlich wie die Ouvertüre zu Jensens einziger Oper. Nur das bukolische Waldwebenvorspiel zum 2. Akt ist in sich geschlossen. Mit dieser CD aber wurde der Wiederentdeckung Adolf Jensens ein Bärendienst erwiesen.
Martin Schrahn

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