Blomenkamp, Thomas

Orchestral Works – Chamber Music – Piano Music

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Neos 11205-06, 2 CDs
erschienen in: das Orchester 05/2013 , Seite 74

Thomas Blomenkamp, 1955 geboren in Düsseldorf: ein freier Komponist, verpflichtet allein musikalischer Tradition, soweit mit ihrer Hilfe Ansprache und Fasslichkeit ermöglicht wird. Der Schüler von Jürg Baur an der Kölner Musikhochschule ist nicht nur Komponist, sondern beherrscht als Konzertpianist und Kammermusikpartner auch unmittelbar die musikalische Materie. Sie ist bei ihm von reich ausgebildeter Plastizität mit eindrücklichen Grenzoberflächen und attraktiver Profilspannung. Ein introvertierter Musiker zweifellos, aber keiner, der sich in reduzierten, klang-armen oder bloß mikrologischen Raumbildungen bewegt.
Hört man seine Fünf Stücke für großes Orchester von 2007 und denkt an das gleichnamige Werk Anton Weberns, so sind bei durchaus ähnlich abgeblendeter Charakteristik die Unterschiede doch offensichtlich. Fülle und Breite liegen den signalartigen Intonationen, den polyrhythmisch drängenden Aufstiegssequenzen zugrunde. Ein szenisch anmutendes Geschehen, das viele idiomatische Anklänge freisetzt, ohne dass sich ein poly-stilistisches oder in retrospektiver Absicht geschütteltes Kaleidoskop einstellte. Wechsel von statischen zu repetitiven, von aktionistischen zu kontemplativ wirkenden Passagen erfolgen gleitend, geprägte Figurationen der Musikgeschichte bleiben als Basiselemente durchaus im Spiel, grundton-
liche Fundamente geben oft verschleiert allseits Halt. Entsprechende Einfärbungen schaffen Beharrlichkeit und stecken den jeweiligen Form-Raum ab.
Daneben gibt es auch Musikantisches oder Konzeptionelles, wie es sich bei Sept Desserts Rythmiques für Bläser-Quintett oder auch Barkarole (1988) und Nocturne von 1998, jeweils für Klavier solo, zeigt. Das eine Mal die Resonanz-Attraktion von Bläser-Timbres, wie man sie von Igor Strawinskys oder Jean Françaix’ Neo-Klassizismus kennt. Griffige Präsenz, die sich in der brillanten Räumlichkeit aller Aufnahmen dieser CDs (der Komponist ist als „executive producer“ beteiligt) manifestieren. Toccata, Tombeau und Torso für Klavier-Quartett (2009) vermag es, dem geläufigen Trauermusik-Duktus eine Frische zu verleihen, der lastende und prätentiöse Ambition fern ist.
Wie ein Vexierbild erscheint Barkarole – ein von Stefan Irmer am Klavier alles fordernder Töne-Strudel, der zwischen Motiv-Minimalismen, tradiert Wasserspielartigem, heterofon Verschlungenem und impressivem Tosen alles mögliche aufwirbelt: eine stochastisch anmutende Romantik. Deren versunkenes Gegenstück ist Nocturne, dem kreisende, insistierende Stringenz eine mantrahafte Fokussierung verleiht. Auffallend viele Tonbewegungen Blomenkamps sind melismatisch geformt, was Altem und Fernem zu spezifischer Ausdrücklichkeit, wie etwa auch in der Suite für Violoncello solo von 2010, verhilft.
Musikalisch vermitteln die beiden CDs höchst kompetente Umsetzungen der Blomenkamp’schen Ästhetik.
Bernhard Uske