Johann Bernhard Bach

Orchestral Suites

Thüringer Bach Collegium, Ltg. Gernot Süßmuth

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite
erschienen in: das Orchester 02/2020 , Seite 65

Wer sich in dem Multiversum der musikalischen „Bache“ nicht verirren will, kommt kaum umhin, den hellsten Fixstern Johann Sebastian (1685-1750) zu seiner Koordinate zu machen. Dieser hatte mit Johann Bernhard (1676-1749) den gemeinsamen Urgroßvater Hans (1581-1626), d. h. sie waren Vettern dritten Grades und standen immerhin in solch freundschaftlichem Kontakt zueinander, dass sie auf Gegenseitigkeit zu Paten einiger ihrer Kinder wurden.
Der Umstand, dass vielen Ensembles, die nicht immer wieder dasselbe Programm herunterspielen wollen, so langsam der Stoff ausgeht, macht es möglich, immer mal wieder niemals oder kaum jemals gehörte Preziosen aus den unterschiedlichsten Versenkungen hervorzuholen. Das gilt in besonderer Weise für die Epoche des Barock. Nun also hat man sich Johann Bernhards wieder erinnert (die Ersteinspielung der Suiten erfolgte 1993 bei dem niederländischen Label Virgin veritas mit dem Freiburger Barockorchester unter der Leitung von Thomas Hengelbrock).
Von Johann Bernhard Bach, seinerzeit Cembalist und Organist der Hofkapelle des Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach (1666-1729), ist kaum eine Handvoll Orgel- und Instrumentalwerke auf uns gekommen, unter ihnen die hier veröffentlichten vier Orchestersuiten, die auch die Anerkennung Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bachs fanden. So sagte Letzterer in seinem Nekrolog auf den Vater: „Johann Bernhard hat viele schöne, nach dem Telemannischen Geschmacke eingerichtete Ouverturen gesetzet.“ Diese Suiten haben die Jahrhunderte nur deshalb überlebt, weil sie in Abschriften von Johann Sebastian, Anna Magdalena und Carl Philipp Emanuel Bach sowie einiger anderer Komponisten erhalten geblieben sind.
Es handelt sich um gefällige Kompositionen, sämtlich im vierstimmigen Streichersatz und selbstverständlich dem Geschmack der Zeit verpflichtet. Will sagen, dass es bei Johann Bernhard nichts gibt, das wie bei seinem Vetter über die eigene Zeit hinausweist. Möglicherweise diente die erste Suite in g-Moll als Vorlage zu Johann Sebastian Bachs berühmter h-Moll-Ouvertüre für Flöte und Streicher BWV 1067.
Das Thüringer Bach Collegium zeichnet sich in dieser Aufnahme durch eine enorme Spielfreude aus, interpretiert beseelt und mit viel Esprit. Und vor allem so kompetent, dass man sich die damals am Hofe zu der teils französisch, teils italienisch inspirierten Musik tanzenden Paare äußerst lebendig vorstellen kann.
Ein Wort noch zum Beiheft: Angesichts der kläglichen Quellenlage hat Michael Maul eine staunenswerte Fülle an Informationen sowohl über den Komponisten als auch über dessen Umfeld als auch über die vier Orchestersuiten zusammengetragen. Wer sich eingehender mit Johann Bernhard Bach beschäftigen möchte, findet hier die ersten wichtigen Grundlagen.
Friedemann Kluge