Farkas, Ferenc

Orchestral Music Volume four: Music for flute and strings

András Adorján (Flöte), Ingrid Kertesi (Sopran), Miklós Spányi (Cembalo), Viktória Herencsár (Cimbalon), Franz Liszt Chamber Orchestra, Ltg. János Rolla

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Toccata Classics TOCC 0230
erschienen in: das Orchester 10/2016 , Seite 70

Ohne die Alten Ungarischen Tänze aus dem 17. Jahrhundert kommt auch die neue Folge der Orchesterwerke von Ferenc Farkas nicht aus. Wie auch: Sind doch die Volksweisen und Volkstänze, die Hofmusik und die geistlichen Gesänge, der Verbunkos und die Zigeunerweisen vergangener Jahrhunderte das Lebenselixier dieses Komponisten, der in seinem langen Leben (1905-2000) und seinem fast unüberschaubaren Schaffen nicht von ihnen abließ. Farkas erwies sich als Virtuose im Umgang mit Stilen und Formen aus alten Zeiten und als Meister der Synthese von traditionellen und neuen Elementen. Und wie er die Vielzahl der Quellen und Anregungen zur Vielfalt der eigenen Musik wandeln konnte, wie er den eigenen Stil ständig erneuerte und als einflussreichster Komponist und Pädagoge nach Bartók und Kodály zum Lehrer der jungen ungarischen Avantgarde (u.a. Attila Bozay, Zsolt Durkó, Zoltan Jeney und György Kurtág) wurde, davon vermittelt auch die neue CD einen lebendigen Eindruck: Sie spiegelt die Zeit seit dem Unterricht bis zur Übernahme vieler Errungenschaften der Gegenwart ebenso wider wie den eigenen schillernden Stil und das charakteristische Flair.
Bestes Beispiel dafür sind die Alten Ungarischen Tänze. 1950 entstand eine erste fünfsätzige Version für Bläserquintett, 1961 das Arrangement für Kammerorchester; die Bearbeitung für Flöte und Kammerorchester erfolgte 1990. Insgesamt existieren fast 20 Fassungen mit bis zu 15 Sätzen, die nicht nur den kreativen Umgang des Komponisten mit den Quellen, sondern auch sein Streben nach deren optimaler Nutzung für die verschiedensten Anlässe und Interpreten zeigen.
Orientiert sich diese achtteilige Flöten-Version am Vorbild der barocken Suite, so greifen die Cantiones optimae für Sopran und Streichorchester (1969) auf vier alte geistliche Lieder aus dem Dorf Köröshegy zurück. Und die Rumänischen Volkstänze aus der Grafschaft Bihár (1988), die Farkas der Liedersammlung von Bartók entnahm, erhalten durch die Dialoge zwischen Flöte und Cymbal ihre besondere Note.
Eine originelle Synthese von Sonatenform, konzertantem Spiel und folkloristischem Material prägt die drei „Eigenschöpfungen“ des Komponisten: Das Concertino für Cembalo und Streichorchester (1949) trägt den volkstümlichen und musizierfreudigen Stil der Nachkriegszeit mit, und die divertimento-artige Musica Giocosa für Streichorchester (1982) setzt die Tradition der Werke für Jugendensembles fort. Mit Scarlattis zweiteiliger Form und mit zwölftönigem Themenmaterial hebt sich die Serenata Concertante für Flöte und Streichorchester dann 1967 deutlich von der „Massenproduktion“ jener Zeit ab, und in den langsamen Sätzen und lyrischen Episoden aller drei Werke kommt Farkas’ Individualität besonders nachdrücklich und klangschön zum Vorschein. So verwundert es nicht, dass die vorzüglichen und vitalen Interpreten auch diese CD (mit vier Ersteinspielungen) wieder zum Erlebnis machen.
Eberhard Kneipel