Josef Schelb

Orchestral Music, Vol. 2

Sarina Zickgraf (Viola), Tatjana Blome (Klavier), Dominik Wollenweber (Englischhorn), Kammersymphonie Berlin, Ltg. Jürgen Bruns

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Toccata Classics TOCC 0604
erschienen in: das Orchester 11/2021 , Seite 78

Noch zu entdecken ist der Komponist Josef Schelb (1894-1977), geboren im heutigen Bad Krozingen bei Freiburg im Breisgau. Er studierte in Basel und Genf bei damals berühmten Professoren wie Hans Huber, Bernhard Stavenhagen und Otto Barbian und machte sich zunächst als Pianist in der Musikwelt schon früh einen Namen.
Als ständiger Klavierpartner des großen katalanischen Violinvirtuosen Joan Manén bereiste er viele Länder Europas und Amerikas. Bei einem Fliegerangriff auf Karlsruhe 1942, den Schelb und seine Familie nur mit knapper Not überlebten, ging der größte Teil seiner frühen Kompositionen verloren. Vom Karlsruher Lehramt emeritiert, verbrachte Schelb die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens an seinem Altersruhesitz in Baden-Baden.
Diese neue CD enthält nun drei seiner konzertanten Werke mit Streichorchester, komponiert nach dem Zweiten Weltkrieg, vorrangig neoklassizistisch und überwiegend auf der heiteren Seite des Lebens. Welch schwere Zeiten diese Generation durchmachen musste, spürt man hier allenfalls unterschwellig.
Zuerst kommt das Konzert für Klavier und Streichorchester von 1949, in dem der gelernte Pianist Schelb „sein“ Instrument besonders idiomatisch zu behandeln und raffiniert mit dem Tutti zu verweben versteht. Noch erstaunlicher erscheint danach das Konzert für Viola und Streichorchester von 1956, das Schelbs Lieblingsinstrument zu einer perfekt ausgewogenen Mischung von klaren und getrübten Elementen führt. Es hat nach wie vor das Potenzial, zu einem der beliebtesten Bratschenkonzerte der neueren Zeit zu werden.
Das Klavierkonzert und das Violakonzert sind hier erstmals eingespielt, im Gegensatz zu dem 1970 entstandenen Konzert für Englischhorn und Streicher. Angeregt dazu wurde er von Helmut Koch, damals der vorzügliche Solo-Englischhornist des zu dieser Zeit in Baden-Baden ansässigen SWF-Sinfonieorchesters. Das Englischhornkonzert zeigt mehr Einflüsse aus dem Impressionismus und auch aus der Zwölftönigkeit. Es geht noch weiter in der Entwicklung einer ausgeschlafenen Polyfonie, versteckt seine Abwechslung aber weitgehend im komplexen Tonsatz.
Diese Einspielungen sind herzliche Plädoyers für die kaum bekannten Werke. Geradezu sensationell erreicht uns das Viola-Charisma der 1991 in Freiburg geborenen Sarina Zickgraf. Dominik Wollenweber ist hauptberuflich Solo-Englischhornist der Berliner Philharmoniker.
Als ein makelloser Konzert-Partner erscheint hier die Kammersymphonie Berlin. Der Dirigent Jürgen Bruns sorgt dafür, dass man alles hört und zugleich so viel Freude wie möglich an dieser Musik bekommt, sodass man sie irgendwann kaum noch als spröde wahrnimmt.
Ingo Hoddick