Farcas, Ferenc

Orchestral Music Vol. 1-3: Music for Chamber Orchestra / String Orchestra / Oboe and Strings

MÁV Symphony Orchestra, Ltg. Péter Csaba/Franz Liszt Chamber Orchestra

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Tocca Classics TOCC 0170, 0184 und 0217
erschienen in: das Orchester 10/2015 , Seite 75

Diese Begegnung mit Ferenc Farkas überrascht in mehrerer Hinsicht. Der ungarische Komponist, der am 15. Dezember 1905 in Nagykaniszsa geboren wurde und am 10. Oktober 2000 in Budapest starb, hat bis zu seinem letzten Lebenstag gearbeitet und etwa 800 Werke hinterlassen, in denen sich die Musikentwicklung des 20. Jahrhunderts vielfältig und individuell widerspiegelt. Auch seine intensiven Kontakte zu Musikern, Dichtern, Malern, Bildhauern und Filmkünstlern brachten reiche Früchte, wie die Vielzahl an Genres, Besetzungen und Stilen zeigt: Opern, Operetten, Ballette, Kantaten, Instrumental- und Vokalmusik, Kompositionen für Schauspiel und Film – mit nationaler Thematik und einem eigenen Idiom, das Farkas vornehmlich der Musik des 16. bis 18. Jahrhunderts abgewann und dabei auf perfektes Handwerk und architektonische Schönheit, auf Emotion und Wirksamkeit bedacht war.
Auf diese Weise wurde er einer der populärsten und originellsten Musiker Ungarns, der auch im Ausland Beachtung fand. Die Namen seiner Schüler, die er als Professor an der Budapester Musikhochschule ausgebildet hat, verblüffen geradezu: Es ist die führende Komponistengeneration Ungarns in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Teil der internationalen Avantgarde wurde: György Ligeti, György Kur­tág, Atilla Bozay, Zsolt Durkó, Zoltán Jeney, Miklós Kocsár, Emil Petrovics und Sándor Szokolay. Doch im Gegensatz zu deren radikalen Wegen und Wandlungen war Farkas auf Kontinuität bedacht und setzte, bei allem Facettenreichtum und Wagemut, auf „klassischen“ Ausgleich und Ausdruck.
Den frühen Einflüssen der Meisterklasse von Ottorino Respighi an der Accademia di Santa Cecilia in Rom verdankt der Schüler Leó Weiners die mediterrane Leichtigkeit der Töne und die klassizistische Klarheit der Formen (Divertimento) sowie das Bestreben, neue Musik aus dem Geist alter Meister zu schaffen (Concertino all’antica). Die Suche nach Quellen und die Bearbeitung von Stücken und Tänzen aus früheren Jahrhunderten geben einer enormen Zahl von Werken und Instrumentalversionen die Grundlage. Auch Divertimento-Geist und Barock-Elemente bilden Schaffenskonstanten, und Musica pentatonica, March Suite und Trittico concertato sind erste Beispiele für Experimente mit Tonreihen und Dodekafonie in der ungarischen Musik – für Farkas’ Entwicklung aber bleiben sie folgenlos. Und die Genreszenen und Charakterstücke der Lavotta-Suite, der Suite András Jelky und von Maschere sind empfindsame und farbige Miniaturen aus Film-, Hörspiel- und Bühnenmusiken.
Diese zwanzig Werke aus den Jahren 1930 bis 1994 vereinen sich auf drei CDs zu einem beeindruckenden Porträt, das klanglich ideal realisiert wird. Denn alle Interpreten – Vol. 1: Miklós Perényi (Violoncello), Vol. 2: Gyula Stuller/János Rolla (Violine), László Tóth (Trompete) und Vol. 3: Lajos Lencsés (Oboe, Englischhorn), Lajos Rozman (Klarinette), Andrea Horváth (Fagott), Emily Körner/János Rolla (Violine), Andra Darzins (Viola), Zoltán Paulich (Violoncello) – sind seit Jahrzehnten mit Ferenc Farkas bestens vertraut und genießen zuhause und in der Welt ein hohes Ansehen. Und all das wirkt überaus reizvoll…
Eberhard Kneipel