Max Reger
Orchestral Edition
Endlich ist sie da, die Wiederveröffentlichung der Schwann/ Koch-Einspielungen von Regers Werken mit Orchester, nun unter dem Imprint der Deutschen Grammophon. Aus den Jahren 1979 bis 1995 stammen die Einspielungen, zumeist mit den Bamberger Symphonikern unter Horst Stein, aber auch mit dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin (jetzt: Deutsches Symphonie-Orchester Berlin) unter Gerd Albrecht und Uroš Lajovic sowie Chor und Sinfonieorchester des NDR unter Roland Bader.
Vieles ist bis heute Referenz geblieben, nicht selten in Ermangelung von Konkurrenzeinspielungen (der Gesang der Verklärten op. 71, das unvollendete Requiem d-Moll WoO V/9 oder Der 100. Psalm op. 106 etwa). Bei anderen Werken stehen starke Rivalen bereit – beim Symphonischen Prolog zu einer Tragödie op. 108 etwa, den Vier Tondichtungen nach A. Böcklin op. 128 oder den „allgegenwärtigen“ Mozart-Variationen op. 132.
Leider blieben die editorischen Bemühungen bei der Wiederveröffentlichung bescheiden – eine chronologische Anordnung der Werke, wie sie im Booklet ablesbar ist, erhellt den Wert auch der einzelnen Kompositionen noch stärker und macht auf manche Kostbarkeit aufmerksam, etwa auf die beiden Violinromanzen op. 50 (hier mit Hans Maile), die nur dem Namen nach Beethoven die Reverenz erweisen, faktisch aber als langsame Sätze nicht komponierten Reger’schen Violinkonzerten entnommen sein könnten.
Sehr hätte man sich gewünscht, den 100. Psalm und sein „katholisches Gegenstück“ Die Nonnen op. 112 einander gegenübergestellt zu sehen – leider wurde diese Chance ebenso vertan wie die Konsultation der Rundfunkarchive (sämtliche Produktionen entstanden in Zusammenarbeit mit Rundfunksendern), um die wenigen Lücken der Edition zu füllen (allen voran durch den Einsiedler op. 144a für Bariton, Chor und Orchester sowie den Hymnus der Liebe op. 136 für Bariton und Orchester ebenso wie zwei weitere Chorkompositionen mit Orchester).
Doch die hohe Qualität vieler Produktionen (das Klavierkonzert mit Gerhard Oppitz, das Violinkonzert mit Walter Forchert, die Violinromanzen mit Hans Maile, die Sinfonietta wie die Serenade, um nur einige zu nennen) macht die Box auch heute zu einer unverzichtbaren Referenz für jeden, der sich von verbreiteten Vorurteilen, Reger sei schwer und schwer zu verstehen, nicht abschrecken lässt – hier wird man (zumeist) eines Besseren belehrt. Da haben wir den schwelgerischen, humorigen, nostalgischen, aber auch symphonisch ambitionierten Reger.
Und man kann allenthalben Preziosen entdecken: Regers selbst orchestrierte Klavierlieder (mit Lioba Braun), das Scherzino für Streicher und Horn WoO I/6 (mit Marie-Luise Neunecker), vor allem aber das große, leider unvollendet gebliebene Requiem und den Gesang der Verklärten, der jeder Aufführung der Gurrelieder zum angemessenen Pendant gereichte. Leider fehlen im Booklet die Gesangstexte.
Jürgen Schaarwächter