Heinrich Sutermeister

Orchesterwerke Vol. 1. Symphonische Suite „Romeo und Julia“/Fantasie über schweizerische Volkslieder „Die Alpen“/Aubade pour Morges/Divertimento Nr. 2

Royal Philharmonic Orchestra, Ltg. Rainer Held

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Toccata Classics
erschienen in: das Orchester 01/2020 , Seite 76

Heinrich Sutermeister, Jahrgang 1910, war ein Nachzügler jener großen, um 1890 geborenen Komponistengeneration von Ernest Bloch über Othmar Schoeck und Arthur Honegger bis Frank Martin, welche die Schweiz erstmals auf die Weltkarte der Musik setzte. Geboren wurde er in Feuerthalen im Kanton Schaffhausen, der auf dem ansonsten überwiegend zu Deutschland gehörenden rechten Ufer des Hochrheins liegt.
Bei seinem Studium 1931 bis 1934 an der Akademie der Tonkunst in München bekam er Anregungen von den älteren Kollegen Hans Pfitzner, Carl Orff und Werner Egk. Durch den internationalen Erfolg seiner 1940 an der Dresdner Staatsoper unter der Leitung von Karl Böhm uraufgeführten Shakespeare-Oper Romeo und Julia konnte er sich 1942 ein Haus in Vaux-sur-Morges bei Lausanne bauen, um der seiner Meinung nach „grässlichen Mentalität“ in der deutschsprachigen Schweiz zu entkommen („Ich bin halt ein rechter Burgunder!“), das er bis zu seinem Tod 1995 bewohnte.
Sutermeister gilt in erster Linie als Mann des Musiktheaters, schuf aber auch beachtliche Orchesterwerke. Die vier Beispiele, die hier als erster Teil einer neuen Gesamtaufnahme erstmals auf Tonträger eingespielt wurden, scheinen ihn erst einmal als Verfertiger gehobener Unterhaltungsmusik im Fahrwasser bekannter Vorbilder auszuweisen – gäbe es da nicht einen faszinierenden Reichtum der Harmonik, Instrumentation, Melodik und Rhythmik. Hier kommt zunächst die Symphonische Suite aus Romeo und Julia, die Karl Böhm ziemlich genau ein Jahr nach der Premiere der Oper mit den Berliner Philharmonikern in Winterthur zur Uraufführung brachte. Die ursprünglich für den Rundfunk entstandene Fantasie über schweizerische Volkslieder „Die Alpen“ (1946-1948) ist ein Melodram nach dem in der Schweiz einst sehr bekannten gleichnamigen Gedicht von Albrecht von Haller. Die köstliche kurze Suite Aubade pour Morges („Morgenständchen für Morges“, 1978/79) und das für das Orchestre de Chambre de Lausanne komponierte Divertimento Nr. 2 (1959/60), dessen vier symphonieartige Sätze unmittelbar ineinander übergehen, stehen mehr für Sutermeisters „französische“ Seite.
Der Dirigent Rainer Held ist selbst Schweizer, vermittelt die erhabene Gelassenheit und kühle Klarheit dieser Musik kongenial an das Londoner Weltklasseorchester. Freilich könnten die Aufnahmen stellenweise noch etwas präziser sein – was vielleicht auch daran liegt, dass sie innerhalb von nur zwei Tagen entstanden. Der Sprecher Bruno Cathomas, gleichfalls geboren in der Schweiz und seit 2013 fest engagiert am Schauspiel Köln, verhindert in Die Alpen unnötiges Pathos.
Ingo Hoddick