Eckart Kröplin

Operntheater in der DDR

Zwischen neuer Ästhetik und politischen Dogmen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel,
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 73

Hier ist die Opernwelt der DDR noch ziemlich in Ordnung. Erfolgreich-innovativ bis hin zur Weltgeltung, vielbesucht und -beachtet, bis die Wende „die Kulissen einstürzen“ lässt. So sieht Eckart Kröplin auf 45 Jahre Musiktheater in der Hauptstadt Ost-Berlin und in der „Provinz“ (Dresden, Leipzig und alles andere) zurück. Er war Dozent und Chefdramaturg der Semperoper, „staunender Zuschauer, eifriger Besucher“, Autor, Kritiker, der „so manches mitgestaltet und verantwortet“ hat. Und so wird hier aus dem Beobachter immer wieder ein Beteiligter. Er stellt kaum in Frage, aber viele Superlative auf.

Sicher ist es gerade für West-Leser interessant, noch einmal die Setzungen und Hintergründe des „Formalismusstreits“ und des langen Ringens um eine „deutsche Nationaloper“, Ost natürlich, nachzulesen und nachzuvollziehen. Ebenso spannend der Versuch, episches und realistisches Musiktheater – zunächst gegeneinander zugespitzt – zumindest nebeneinander zu dulden. Und da ist der 1943 geborene Autor natürlich tief in der Materie, und ausführlich.

Doch es bleibt oft auf der Ebene einer gehobenen Fachdisputation; Verletzungen, Wunden, vielleicht auch Stürze gibt es höchstens am Rande. Zwar zitiert Kröplin gleich doppelt Götz Friedrich („Oper formuliert, was sein könnte/müsste, in der Spannung zwischen Realität und Utopie“) und Heiner Müller („Was man noch nicht sagen kann, kann man vielleicht schon singen“), doch Folgen im Buch hat es nicht. Dass aus Paul Dessaus Verhör des Lukullus auf Wunsch von Wilhelm Pieck eine Verurteilung wurde, bleibt eine Notiz; ebenso „Staats-, Parteizensur, Einschränkungen, Abschottung“. In diesem und anderen Punkten bleibt es sehr bei der Innensicht.

Erstaunlich auch, wie oft der erfahrene Theatermann im Abstrakten, Ungefähren bleibt. Immer wieder lobt er gerade die „Provinz“ für ihre Rolle, Zeitgenössisches zu fördern, bietet dann aber bei den Inszenierungen kaum mehr als Daten – da müssen die wunderbaren Fotos aushelfen. Bei den Anrechten, die die Werktätigen busweise auch zum Musiktheater brachten, wird nicht nach deren Reaktion und Resonanz gefragt, auch nicht, warum sie nach der Wende kaum wiederkamen.

Kröplin bietet den Blick in ein „abgeschlossenes Sammelgebiet“, wie man es in anderem Zusammenhang nennen würde, und geht selten darüber hinaus. Dass sich seit der Wende Ensembles nur noch für ei­ne Produktion fänden und sogleich auseinanderstrebten, ist längst widerlegt. Für die „ungeliebte Annäherung“ an Wagner ist ein Zwischentitel wie „Wagner wandert aus der DDR aus“ nicht ungefährlich: Kein Exil ist gemeint, sondern der Export von Inszenierungen in die West-Welt. Der früh benannte Graben zwischen Politik und Kunst wird kaum und nicht heutig ausgelotet.

Schließlich hat bei Kröplin nicht einmal der Mauerbau das „imposante Bild“ des Opernschaffens stören können. Erst die Jahre um und nach 1989 lassen bei ihm das Kulturleben der DDR „erodieren“, im finalen Debakel enden.

Da gibt es dann sogar eine „letzte DDR-Opernleiche“ zu beklagen.

Ute Grundmann