Sarasate, Pablo de
Opera Phantasies
Zu den Eigenarten von Pablo de Sarasates Opernfantasien gehört es, dass der Zugriff auf Musiknummern bekannter Bühnenwerke selten von deren tatsächlicher dramaturgischer Bedeutung bestimmt ist, sondern sich eher an ihrer musikalischen Wirkung und den an sie angelehnten Möglichkeiten zur Veränderung der vorgegebenen Texturen durch violintechnische Kunstgriffe orientiert. Dass dies in Stücken wie der Fantasie sur La Flute enchantée de W.A. Mozart op. 54 zu Ergebnissen führt, die mitunter völlig den ursprünglichen szenischen Vorgaben widersprechen, mag den Opernliebhaber zwar irritieren, zeugt aber letzten Endes von Sarasates Gespür bei der Anordnung der ausgewählten Werkteile und ihrer Einbettung in einen Zusammenhang, der sich der Funktion einer schrittweise verstärkten Präsentation spieltechnischer Fertigkeiten ideal anzupassen weiß.
Der Geiger Volker Reinhold versucht diesem Umstand gerecht zu werden, indem er sich sorgfältig abwägend zwischen der Betonung melodischer Qualitäten und einer Herausarbeitung geigerischer Kunststücke bewegt. Dass Letztere weniger stark hervortreten, als man dies von anderen Aufnahmen her gewohnt ist, macht die Einspielung sympathisch: In der Tat versucht Reinhold die eingesetzten Effekte in den Dienst klangfarblicher Varianten des melodischen Vortrags zu stellen, doch steht ihm dabei bisweilen seine eher kleine und gelegentlich auch raue Tongebung im Weg.
Dennoch kann der Geiger mit manch diffiziler Passage aus den weniger häufig gespielten Stücken, etwa mit dem über weite Strecken solistisch in polyfonen Doppelgrifftexturen vorgetragenen Einleitungsteil der Réminiscence de Martha de F. de Flotow op. 19 punkten. Darüber hinaus rückt die Auffassung der Stücke als Kammermusik ins Zentrum der Aufmerksamkeit, was sich einem partnerschaftlichen Musizieren verdankt und für die nicht immer ideale Intonation entschädigt. Auf die Qualitäten Ralph Zedlers verweisen hierbei nicht nur die knappen Vor- und Zwischenspiele des Klaviers, sondern auch die sorgfältig angebrachten Anschlagsnuancen, mit denen der Pianist violinistischer Farbgebung wie der Benutzung von Flageoletts in der bekannten Fantaisie sur Carmen de G. Bizet op. 25 eine zusätzliche Nuance verleihen kann.
In solchen Details, Ergebnis eines genau austarierten kammermusikalischen Musizierens, sowie im Versuch beider Interpreten, sich immer wieder auch dem Tonfall der zugrundeliegenden Opern anzunähern, liegt das Plus dieser Platte gegenüber zahlreichen anderen, brillanter musizierten, aber den Pianisten auch zum bloßen Hintergrund degradierenden Aufnahmen. Schließlich ist noch die gelungene Auswahl der Werke zu würdigen, da sie das gesamte Spektrum von frühen Opernfantasien wie jener über Verdis La forza del destino op. 1 (1864) bis hin zur späten Zauberflöten-Fantasie aus dem Jahr 1907, Sarasates letzter gedruckter Komposition überhaupt, umfasst.
Stefan Drees