Julia Glesner

Oper für alle

Die Biografie von Sir Peter Jonas

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Insel
erschienen in: das Orchester 12/2021 , Seite 68

Ein großes Opus für einen großen Maestro: Julia Glesners Biografie von Peter Jonas, dem im April 2020 verstorbenen Intendanten der Bayerischen Staatsoper, füllt 652 Seiten und wiegt fast ein Kilo. Sie zollt einem der bedeutendsten Theater-menschen seiner Zeit Respekt und ist in ihrer Fülle die einzige Form, um dem Opern-Titan gerecht zu werden.
Das Buch basiert auf Gesprächen der Autorin mit Peter Jonas. Und um es vorwegzunehmen: Es liest sich großartig. Glesners leichter und gleichzeitig präziser Ton macht Freude. „Während er von seinem Leben erzählte, lachte, weinte und schimpfte er“, schreibt sie vom Making-of ihres Buchs. Die Biografie des Porträtierten führt tief in die Geschichte des 20. Jahrhunderts. An seinen Wirkungsstätten blieb er stets lange und hinterließ bedeutende Spuren: beim Chicago Symphony Orchestra, an der English National Opera und der Bayerischen Staatsoper, seinem „Family House“, wie er sie nannte.
Mit 24 Jahren startet Jonas seine Karriere als Assistent von Georg Solti beim Chicago Symphony Orchestra. Nach vier Jahren wurde er erster Artistic Administrator des Orchesters. In dieser Zeit, so erzählt er der Autorin, habe er nichts anderes gemacht als gearbeitet. Die Oper wird zum Lebensinhalt, und sein Leben widmet er der Aufgabe, die Oper möglichst allen Menschen zugänglich zu machen.
Zur Welt kam Peter Jonas am 14. Oktober 1946 in London als Sohn einer libanesischen Mutter, deren Familie nach Jamaika ausgewandert war, und eines jüdischen Hamburger Vaters, der vor den Nazis nach England geflohen war. Dass seine Eltern sich trennten und der Vater kurze Zeit darauf verstarb, hat die Gedanken des Jungen früh um Identität und Bestimmung kreisen lassen. Stark prägte ihn seine Zeit im Benediktiner-Internat. Es entstand eine wilde weltanschauliche Mischung, aus der Jonas seine Lebenskraft und -philosophie schöpfte.
Zu seinen Traumata gehörte der Unfalltod seiner geliebten Schwester Katryn, als er 20 und sie 25 Jahre alt war. Mit 29 Jahren trat mit der Diagnose Krebs der Tod auch in sein eigenes Leben: Bei ihm wird eine bösartige Erkrankung des Lymphsystems festgestellt. 45 Jahre lang begleitete ihn diese tödliche Bedrohung. Sie lehrte ihn, „Carpe diem“ zum Mantra zu machen. Nach der Diagnose hatte er erklärt: „Wenn nichts von mir zu hören ist, bedeutet das nur, dass ich – unbescheiden und habgierig, wie ich bin – kämpfe. Ich will meine ablaufende Pacht auf dieser Erde nicht beenden – noch nicht.“
Solche Zitate und andere O-Töne hat die Autorin sorgfältig zusammengetragen. Sie besitzt das Talent, den Leser mit leichter Hand in die Verästelungen des Lebens von Peter Jonas zu führen. Man folgt ihr gerne. Glesner beschreibt Gesten und Marotten (wie die legendären roten Socken zum Smoking), Bedeutendes und Nebensächliches, und lässt den großen Mann in ihren Zeilen wieder lebendig werden.
Das Vorwort der Biografie stammt von Krimiautorin Donna Leon. Das Nachwort schrieb der ebenfalls eng befreundete Daniel Barenboim.