Schubert, Franz

Oktett F-Dur D 803

hg. von Peter Jost, Urtext, Studienpartitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2014
erschienen in: das Orchester 04/2015 , Seite 73

Das Oktett als Wegbereiter einer großen Sinfonie? Folgt man der viel zitierten Briefstelle Franz Schuberts an seinen Malerfreund Leopold Kupelwieser, dann ist das Experiment im März 1824 gelungen. Aber hatte Schubert das nötig? Es scheint so, zumindest beim Blick auf die Sinfonie in E-Dur D 729 und jene „Unvollendete“ in h-Moll D 759, welche er nach den ersten sechs Sinfonien nicht fertig instrumentierte bzw. unvollendet hinterließ. War der Umweg über die Kammermusik und insbesondere über das Oktett zur Großen C-Dur-Sinfonie von 1825 jedoch wirklich zwingend? Sechs Sätze hätten den formalen Rahmen gesprengt.
Wäre das Oktett als Sinfonie denkbar? Wohl eher nicht. Selbst das viel beschworene Vorbild, Beethovens Septett, überzeugt nicht restlos, wenn man den unterschiedlichen Charakter, die Tonart, das  kompositorische Gewicht und die doch zeitliche Distanz der beiden Werke in die Waage legt. Im Gegensatz beispielsweise zum Septett Es-Dur op. 62 von Conradin Kreutzer, das demjenigen Beethovens weitaus näher steht, ist Schuberts Oktett ein Abgrenzungs- und Bekenntniswerk mit autobiografischen Anspielungen mit einem Zitat aus seiner Oper Die Freunde von Salamanca D 326. Der Freundeskreis drohte zu dieser Zeit auseinanderzubrechen. Doch da war auch noch der Auftraggeber, der diese Besetzung wohl wünschte: Ferdinand Graf Troyer, Klarinettist und Obersthofmeister des Erzherzog Rudolph.
Peter Jost, der sich als Herausgeber Schubert’scher Werke bereits einen Namen gemacht hat, reflektiert in seinem Vorwort zur Neuausgabe die überlieferten Fakten. Die Überlieferungsgeschichte des Oktetts ist in der Tat sehr dünn, wie so oft bei Schubert. Nach der Veröffentlichung der Neuen Ausgabe sämtlicher Werke Franz Schuberts im Jahr 1968 (praktische Ausgabe 1969, Neuauflage 2002) schien es nun an der Zeit, eine praktische Urtext-Ausgabe erneut nach Vorlage des Autografs herzustellen. Das Oktett steht in der langen Reihe der „Schubert-Editionen“ des Henle-Verlags. Jost hat auch den Kritischen Bericht verfasst, ohne sich von jenem der neuen Gesamtausgabe beeinflussen zu lassen. Der ist zum einen nebst vielen Bemerkungen nämlich sehr umfangreich, vieles erscheint auf den ersten Blick für praktische Fragen ohne größeren Belang. Zum anderen fielen dem Herausgeber Dinge auf wie beispielsweise Staccatopunkte,  unterschiedliche Legatobögen oder Akzent- bzw. Decrescendozeichen, die in der wissenschaftlichen Gesamtausgabe allgemein notiert sind, da es zur bekannten Herausgeberproblematik gehört.
Den musikpraktischen Ansprüchen der fünf Streicher und der drei Bläser wird die Ausgabe auch bei genauerer Durchsicht mehr als gerecht. Layout und Schriftbild sind in hervorragender Qualität, auf die spieltechnischen Belange wie dem sicheren Umblättern, wurde großen Wert gelegt. Der Variationensatz – original mit der C-Klarinette und dem C-Horn besetzt – kann hier wahlweise auch mit der B-Klarinette bzw. F-Horn gespielt werden, da eine transponierte Fassung hergestellt wurde.
Werner Bodendorff