Franz Schubert
Octet in F Major D 803
Philharmonic Ensemble Berlin
Am 31. März 1824 berichtet Franz Schubert seinem Freund Kupelwieser, er habe zwar „in Liedern wenig Neues gemacht“, dafür aber mehrere „Instrumental-Sachen“ komponiert, mit deren Hilfe er sich „den Weg zur großen Sinfonie bahnen“ wolle. Eines dieser Werke war das Oktett D 803. Obgleich er als Liedkomponist durchaus Beachtung fand, war dem jungen Schubert das „große Wien“ bisher verschlossen geblieben. Seine Bekanntschaft mit dem Geiger Ignaz Schuppanzigh schien verheißungsvoll – dem „Rosamunde“-Quartett hatte Schuppanzigh am 14. März 1824 zum Premierenerfolg verholfen. Bei der Erstaufführung des Oktetts saß der berühmte Geiger ebenfalls am Geigenpult.
Den Kompositionsauftrag hatte Schubert durch Ferdinand Graf Troyer erhalten. Dieser Hofbeamte war ein ausgezeichneter Amateurklarinettist. Zudem liebte er Beethovens Septett op. 20. Dass Schubert der Klarinette einen dankbaren Part geben würde, lag somit ebenso nahe wie die Ausrichtung am Beethoven’schen Vorbild und damit an der traditionellen Form des sechssätzigen Divertimentos. Schubert dehnte jedoch nicht nur dessen gewohnten Rahmen, sondern komponierte ein in jeder Hinsicht überdimensionales Werk von sinfonischem Zuschnitt, dem überdies ein nicht geringes Maß Operndramatik eignet.
Die vorliegende Neueinspielung des Werks erfüllt höchste Ansprüche und beglückt durch einen gleichermaßen transparenten wie volltönenden Ensembleklang. Hier sind hochkarätige Solist:innen am Werk, die ihre Meisterschaft – und Empathie – in den Dienst großdimensionierter Kammermusik stellen. Primarius Simon Roturier beeindruckt durch ebenso filigranes wie virtuoses Geigenspiel, Wenzel Fuchs erfüllt die „Rolle“ des Grafen Troyer mit herrlicher Klarinettenkunst. Ihnen und ihren Mitstreiter:innen – Angelo de Leo (2. Violine), Ignacy Miecznikowski (Bratsche), Bruno Delepelaire (Cello), Janne Saksala (Kontrabass), Andrej Zust (Horn), Bence Bogányi (Fagott) – zu lauschen, bereitet ungetrübtes Vergnügen. Ob solistische Geste, Binnen-Duette und -Terzette oder hingetupfte Begleitungen: Diese Musiker können es!
Die Allegro-Grundtempi der Ecksätze sind recht flott gewählt. Dies verleiht insbesondere dem ersten Satz eine gewisse Erregtheit, die indes aufgrund der technischen Souveränität der Spieler:innen zu keinen ernsthaften Hör-Irritationen führt. Der ruhevollen Lyrik des Adagio und dem liedhaften Gestus des Variationssatzes werden die Musiker:innen ebenso gerecht.
In den Reihen der Berliner Philharmoniker finden sich mehrere Kammermusikgruppen, darunter auch das „Philharmonische Oktett“! Anders als dieses ist das „Philharmonic Ensemble Berlin“ keine „Dauereinrichtung“. Es fand sich in schwieriger Corona-Zeit zusammen, um … Schuberts Oktett zu spielen. Eines der acht Ensemblemitglieder ist nicht Mitglied der Philharmoniker, was der hier zu bewundernden Ensembleleistung keinerlei Abbruch tut.
Gerhard Anders