Werke von Klement Slavický, Leos Janácek, Hans Gál und anderen

Oboe & Piano

Viola Wilmsen (Oboe), Kimiko Imani (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Avi-music
erschienen in: das Orchester 12/2017 , Seite 72

Von gedrängten Dienstplänen erschöpft, sehnen sich viele Orchestermusiker nach kammermusikalischen Aufgaben. Diesem kompensatorischen Bedürfnis kommen zwar auch die institutionellen Konzertplaner nach, indem sie den Sinfoniekonzerten Kammermusikreihen zur Seite stellen, in denen Orchestermitglieder mit eigenen Repertoirewünschen zum Zuge kommen. Doch würde mancher gern noch ein musikalisches Eigenleben außerhalb des Orchester-Managements führen.
Wie Viola Wilmsen, seit 2012 Solo-Oboistin des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. 2009 gewann sie den ersten Preis beim Sony-Oboen-Wettbewerb in Japan – als erste Frau seit 30 Jahren. Außer mit dem DSO unter Kent Nagano trat sie auch mit dem Münchener Kammerorchester, der Camerata Bern und der Hamburger Camerata solistisch auf. Seit 2015 lehrt sie zudem an der Musikhochschule Lübeck, wo sie einst bei Diethelm Jonas studierte.
Seit einiger Zeit steht ihr die Japanerin Kimiko Imani als guter Geist am Klavier zur Seite. Eine reife Frucht dieser Künstlerfreundschaft ist ihr hier erstmals auf CD dokumentiertes Duo-Recital: eine musikalische Blütenlese mit mährischem Grundton. Sie spiegelt die Vielseitigkeit, die Charaktervielfalt und den Farbenreichtum der Oboe, die weitaus mehr auszudrücken vermag als bukolisches Liebesgeplänkel, Trauer und Klage, nämlich auch Bedrohliches, gar „Furienhaftes“. Zu Beginn lässt sich ein tschechischer Komponist vernehmen, den hierzulande kaum jemand kennt: Klement Slavický (1910-1999). In Mähren geboren, studierte er unter anderem bei Josef Suk. Die Suite für Oboe und Klavier aus dem Jahr 1960 bezeugt seine stilistische Nähe zu Leoš Janácek und Vitezslav Novák (einem Schüler Dvoráks).
Für Slavický wie für Bohuslav Martinu und Pavel Haas war Janácek wie ein Richtfeuer. Was die Oboistin dazu bewog, die anrührende Arie „Zdravas Kralowno“ aus dessen Oper Jenufa auf ihr Instrument zu übertragen. Auch arrangierte sie einige Lieder Marti­nus auf mährische (moravian) Volks­lied­tex­te – nicht moldauische (moldavian), wie irrtümlich gedruckt – für Oboe bzw. Oboe d’amore und Klavier.
Eine Entdeckung ist auch die Sonate op. 85 des österreichischen Komponisten und Musikschriftstellers Hans Gál. Einem breit ausgesungenen Tranquillo mit Scherzo-Einlage folgt eine heitere Pavane, die an Schumanns Oboen-Romanzen erinnern mag, bevor die Sonate modulationsreich, takt- und tempowechselnd ausschwingt.
Kernstück des Duo-Recitals ist zweifellos die Suite op. 17 des Janácek-Schülers Pavel Haas: 1939 unter bedrohlichen Lebensumständen komponiert, bevor er nach Theresienstadt verschleppt und schließlich in Auschwitz-Birkenau vergast wurde. Die kreisenden Klavierfiguren im Kopfsatz wirken wie Chiffren der Ausweglosigkeit. Das trotzige Con fuoco des Mittelsatzes fällt am Ende in den Rhythmus des Hussitenliedes „Wo seid ihr, Gottesstreiter?“ Der Finalsatz zitiert anfangs den St.-Wenzel-Choral. Mährische Kindheitserinnerungen steigen auf, bevor die Suite hymnisch endet: Utopie einer besseren Welt.
Lutz Lesle