Wolfgang Amadeus Mozart/Richard Strauss
Oboe Concerto in C K 314/Oboe Concerto in D TrV 292
Cristina Gómez Godoy, West-Eastern Divan Orchestra, Ltg. Daniel Barenboim
Sowohl wenn es um das Repertoire von Instrumentalsolist:innen als auch um die Zusammenstellung von Aufnahmen zur Veröffentlichung geht, ist bei der Auswahl der Komponist:innen, deren Werke herausgestellt werden, sehr wohlüberlegt vorzugehen und eine schlüssige Kombination zu wählen. Die Oboistin Cristina Gómez Godoy hat sich für ihre mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Leitung von Daniel Barenboim im Juli und August 2019 eingespielte CD für Wolfgang Amadeus Mozart und Richard Strauss entschieden. Beide haben ja neben ihren Opern, Sinfonien oder Sinfonischen Dichtungen auch ebenso bedeutende Solokonzerte hinterlassen, sowohl für Klavier als auch für Streichinstrumente, etwas weniger für Blasinstrumente, wobei die Oboe eine Ausnahmeerscheinung blieb.
Mozart hat nur ein Oboenkonzert geschrieben, und zwar im Sommer 1777 in Salzburg für den Solo-Oboisten Giuseppe Ferlendis in der Hofkapelle des Fürstbischofs. Später, während der fünf in Mannheim verbrachten Monate, schenkte er die Partitur dem dortigen Oboisten Friedrich Ramm, der sie auch mehrfach spielte. Hier sei nebenbei anekdotisch bemerkt, dass es 1778 zu einem Skandal kam, weil der reiche Amateurflötist Ferdinand Dejean in einem von ihm bei Mozart bestellten Auftragswerk das für sein Instrument neu arrangierte Oboenkonzert erkannte und sich weigerte, das vereinbarte Honorar in voller Höhe zu zahlen.
Cristina Gómez Godoy steigt aus der mit sattem Klang gespielten Orchestereinleitung des Kopfsatzes Allegro aperto elegant mit edlem Oboenton hervor. Im Folgenden fällt ihre sehr gekonnt eingesetzte Variation der Volumina auf. Das Adagio non troppo stattet Gómez Godoy mit großer Ruhe aus. Keck und zügig geht es in das Rondo: Allegretto, das in idealer Weise den Geist des Rokoko atmet, insofern zeittypisch für den damals 21-jährigen Komponisten.
Hat Mozart sein Oboenkonzert gleichsam am Anfang seiner Reifezeit geschaffen, so ist die Komposition von Richard Strauss ein Spätwerk aus dem Jahr 1945, in enger zeitlicher Nachbarschaft der Metamorphosen entstanden. In seiner Garmischer Villa hatte der vom Krieg schockierte Meister gelegentlich amerikanische Offiziere zu Gast, darunter John de Lancie, im zivilen Leben Solo-Oboist im Pittsburgh Symphony Orchestra. Für ihn schrieb Strauss nach langem Bitten dieses Stück aus drei nahezu gleichlangen Sätzen.
Aus einem knappen Oboenmotiv, in tieferen Lagen des Orchesters reflektiert, entwickelt sich ein faszinierendes Allegro. Gómez Godoy jongliert ihre Einsätze souverän neben und über der Strauss’schen Orchesterlandschaft. Das liedhafte Andante gestaltet sie mit großem Atem zum Highlight der CD. Ein einziges tieftöniges Pizzicato gibt den Startschuss zum meist tänzerischen Vivace, das jedoch im Mittelteil mit weitschweifigem Melos aufwartet.
Diese CD fügt den Aufnahmen des West-Eastern Divan Orchestra eine neue Position von beachtlichem Repertoirewert hinzu.
Günter Buhles