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Ute Grundmann

Nur organisieren oder auch gestalten?

Nicht immer stimmt die Leitungsstruktur der Orchester mit den tatsächlichen Arbeitsbedingungen überein

Rubrik: Thema
erschienen in: das Orchester 02/2022 , Seite 10

Ist die Spitzenstellung des GMD noch zeitgemäß oder sollen Orchesterdirektoren ihnen gleichgestellt sein? Helfen Regeln und Absprachen, um Konflikte zu vermeiden? Diese Fragen bewegen nicht nur die Musiker, sondern auch deren Gremien. Versuch einer Bestandsaufnahme.

Machtwort oder Teamentscheidung? Auch künstlerische Kompetenzen oder nur administrative? Die Zusammenarbeit von Generalmusikdirektor (GMD) und Orchestermanager ist kompliziert und vor allem ziemlich ungeregelt. Das Problem beginnt schon damit, dass es verschiedene Berufsbezeichnungen (und damit Arbeitsinhalte) gibt: Direktor, Geschäftsführer, Inspektor kann derjenige heißen, der das Musikerkollektiv „am Laufen“ hält.
„Wir verwenden als Oberbegriff die Bezeichnung Orchestermanager. Manche nennen sich auch so. Darunter verstehen sich aber auch die Orchesterdirektoren, Geschäftsführer und Orchesterintendaten“, erklärt Cornelius Grube, Vorsitzender des Orchesterausschusses des Deutschen Bühnenvereins und Intendant der Württembergischen Philharmonie Reutlingen. Er kennt die Knackpunkte in der Ausübung dieses Berufs aus eigener Anschauung, zudem sind sie wiederkehrendes Thema im Orchesterausschuss. „Wir im Ausschuss haben uns vor fünf Jahren zum ersten Mal damit auseinandergesetzt, haben 2016/17 eine Umfrage gemacht, wie es um die Stellung, die Kompetenzen und das Verhältnis zwischen GMD und Orchestermanager steht. Damit hat sich bestätigt, wie kompliziert und differenziert dieses Verhältnis ist, auch weil es so viele verschiedene Orchester gibt: Theater-, Rundfunk-, Konzertorchester. Und überall sind Profil und Kompetenzen anders geregelt, da ist es nicht leicht, eine allgemein verbindliche Lösung zu finden.“
Genau diese Vielfalt und Differenzierung aber fehlt Marcus Bosch schon in der Fragestellung. Der Vorsitzende der GMD-Konferenz und Chefdirigent der Norddeutschen Philharmonie Rostock: „Grundsätzlich muss man mit einem Missverständnis aufräumen. Die Perspektive, aus der diese Fragen gestellt sind, betrifft vielleicht die ganz großen Orchester.
An kleinen und mittleren Häusern ist die Realität eine andere: Da hat der GMD die künstlerische Verantwortung – etwa für das Engagement von Solisten –, aber auch die betriebliche und finanzielle Verantwortung. Der Orchesterdirektor ist meist seine rechte Hand, aber die letztendliche Verantwortung hat der GMD. Die Konstellation im Orchester ist so, dass der GMD die Entscheidungen trifft und seine rechte Hand virtuos und zugeneigt damit umgeht. Die Diskussion darum ist an dieser Stelle auf ganz wenige Häuser beschränkt.“

Teamarbeit als Lösung?

Mann/Frau am Pult first also – die Fachliteratur sieht das nicht ganz so eindeutig.1 Sie definiert den GMD natürlich als „obersten künstlerischen Leiter eines Musiktheaters oder Orchesters“, während der Orchesterdirektor „heute in der Regel der verantwortliche Leiter des gesamten Orchesterbetriebs in einem mittleren bis großen Opernhaus“ ist, „auch bei großen Konzert- und bei Rundfunkorchestern gibt es diese Leitungsfunktion“. Neben Spiel-, Konzert- und Dienstplänen, Arbeits- und Tarifrecht, Gastspiel und Reisebetrieb weist die Literatur dem Orchesterdirektor aber auch maßgebliche künstlerische und personelle Leitungsaufgaben zu. Das hänge im Einzelfall von Organisationsplan und Vertrag ab.
Wichtig ist Marcus Bosch, „dass der GMD ein gutes Team hat, das natürlich Vorschläge macht und Teil des künstlerischen Prozesses ist. Wenn der Orchesterdirektor entsprechende Erfahrungen und Kontakte im künstlerischen Bereich hat, ist es natürlich sinnvoll, diese einzubringen und zu nutzen.“
Interessant und spannungsvoll sind aber die starken Unterschiede in Stellenbeschreibungen und Verträgen, die für den GMD einerseits und den Orchestermanager andererseits gelten. Der GMD-Vertrag2 beginnt mit dem „Titel des ‚Generalmusikdirektors‘“, gefolgt von Entscheidungs- und Abschlusskompetenz, erst dann folgen dessen Aufgaben, Kompetenzen und Pflichten. Außerdem hat der GMD meist einen „freien Arbeitsvertrag“, in dem sich Bestimmungen des Tarifvertrags NV Bühne oder anderer Tarifvorgaben selten wiederfinden. Er wird auch nicht den abhängig beschäftigten Arbeitnehmern zugerechnet; Streitigkeiten gehören vor ein Zivil-, nicht Arbeitsgericht. Wenn aber das erhoffte Arbeiten auf Basis eines regelmäßigen Dialogs nicht gelingt, stehen sich im Zweifels- und Streitfall ein nicht abhängig und ein sehr abhängig beschäftigter Stelleninhaber gegenüber.
Für Cornelius Grube ist deshalb klar und wichtig, dass „jedes Haus für sich entscheidet und entscheiden muss, wie es die Kompetenzen und das Verhältnis zwischen GMD und Orchestermanager gestalten und regeln will. Dafür benötigt es ein klares Stellenprofil, und zwar sowohl für den Orchestermanager als auch für den GMD. Einigen Orchestern reicht es, dass der Manager die Dienste zählt und die Organisation leistet. Andere, gerade die Rundfunkorchester, aber auch einige Theaterorchester räumen dem Manager sehr hohen Stellenwert ein, geben ihm Kompetenzen bis hinein ins Künstlerische.“


1 Gerald Mertens: Orchestermanagement, Wiesbaden 2018.

2 Alexander Unverzagt/Gereon Röckrath/Renate Damm: Kultur & Recht. Praxishandbuch für Künstler und Kulturmanager, Stuttgart 2014.

 

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2022.