Mozart, Wolfgang Amadeus / Jean Françaix

Nonetto

nach dem Quintett für vier Bläser und Klavier KV 452 von W. A. Mozart (1995), Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: das Orchester 04/2012 , Seite 65

Der französische Komponist Jean Françaix hat in seinem umfangreichen Schaffen immer wieder seine Zuneigung zu Mozart kundgetan, den er als den „größten Komponisten aller Zeiten“ ansah. So ist eine Reihe von Werken entstanden, deren Titel direkt darauf verweisen: Hommage à l’ami Papageno, Mozart new look und eine Elegie, die im Gedenken an den 200. Todestag entstanden ist. In vielen anderen Kompositionen zeigt sich auch eine Geistesverwandtschaft, die sich in gleichlautenden Werktiteln – Divertissement bzw. Divertimento – niederschlägt, die Musik als geistvolle Unterhaltung verstehen, so wie Françaix seine Kompositionskunst verstanden hat.
Transkriptionen von Mozart’schen Werken waren von Françaix bislang nicht bekannt. Jetzt legt der Schott-Verlag eine Bearbeitung des Quintetts Es-Dur für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier vor, die Françaix im Auftrag des Octuor de France angefertigt hat.
Das Quintett KV 452, das Mozart in einem Brief an seinen Vater 1784 als „das beste, was ich noch in meinem Leben geschrieben habe“ bezeichnete, behält in der Bearbeitung die originalen Bläserpartien bei. Der Klavierpart wird auf ein Streichquintett verteilt. Das thematische Geschehen wird vornehmlich zwischen erster und zweiter Violine aufgeteilt, aber auch die Viola wird im ersten Satz sinnvoll daran beteiligt wie auch an dem Weiterreichen von Spielfiguren im zweiten Satz, die aus Klavierarpeggien herausgelöst wurden. In diesem Satz zeigen sich weitere interpretierende Besonderheiten in der Instrumentation, indem Begleitfiguren motivisch aufgesplittet und auf zwei Stimmen verteilt werden und dadurch neue Zusammenhänge offengelegt werden. Durch Flageolett-Spielweise kommen auch neue Klangfarben ins Spiel. Deutliche Interpretationshinweise sind beim Rondothema, das risoluto und im Forte beginnen soll, und bei dynamischen Angaben zu finden. Diese – wie auch die Verdopplung von erster und zweiter Violine und die Kopplung von Viola und Violoncello – dienen der Klangbalance. Françaix setzt z.B. einem Bläsertutti im Forte ein Fortissimo im Streichertutti entgegen. Im Schlusssatz zielt die Dynamik auf einen mehr dem Sinfonischen zugeneigten Klang, der jedoch ein wenig überreizt wird, wenn ein dreifaches Forte verlangt wird. Das Streben nach größerer Intensität wird verstärkt durch die Überführung von Klavier-Spielfiguren in einen akkordischen Satz.
Kurz vor dem Ende erlaubt sich der Komponist Françaix noch eine kleine „Verbesserung“, indem er das einfache Schluss-Motiv im Horn in der Violine imitiert.
Die Nonettfassung des Quintetts KV 452 ist eine Bereicherung des Kammermusik-Repertoires für größere Ensembles in einem nahezu authentischen Gewand. Wusste Françaix, dass es aus der Mozart-Zeit bereits eine Oktett-Bearbeitung ungeklärter Provenienz in ähnlicher Form – ohne die zweite Violine – gibt? Dieter Klöcker hat sie aufgefunden und vor einigen Jahren mit seinem Consortium Classicum aufgenommen.
Heribert Haase