Werke von Heinrich Ignaz Biber, Johann Sebastian Bach, Harald Haugaard und anderen
Nicht ganz allein
Ursula Sarnthein (Viola)
Während der Corona-Lockdowns fühlten sich viele Menschen allein. Ursula Sarnthein, Bratschistin im Tonhalle Orchester Zürich, ging es ebenso. Doch sie fühlte sich nicht ganz allein, hatte sie doch ihre Viola – und die inspirierte sie zu der Idee, eine sehr persönliche CD einzuspielen, auf der sie Musik präsentiert, die sie liebt und zu der sie einen persönlichen Bezug hat: So entstand ein Programm, das von Heinrich Ignaz Bibers Passacaglia aus den Rosenkranz-Sonaten und Bachs Chaconne über dänische Volksmusik (Sarnthein hat in Dänemark studiert) und Schweizer Volksmusik (Musik aus ihrer Wahlheimat), Franz Anton Hoffmeisters Etüde Nr. 5 (als Attribut an ihre Klassikliebe) und rumänische Folklore (als Hommage an ihren Kollegen, den Bratschisten und Komponisten Marius Ungureanu) bis hin zu ihrer Neuentdeckung des Schweizer Komponisten Armin Schibler reicht.
Wirkt das nicht allzu bunt zusammengewürfelt? Nein, diese Programmvielfalt ist eine Bereicherung, da sie mit dem Bratschenklang als Konstante das Ohr öffnet. Sarnthein hat ihr Programm in einer klugen Dramaturgie angeordnet: Die Musikfolge führt vom frühen Barock bis in die Moderne mit ihrer großen Expressivität, durch welche Sarnthein mit rumänischer Musik, bei Pendereckis Tanz und in Schiblers Kleinem Konzert den Hörer eindrucksvoll fesselt.
Dass „alte“ Musik nicht museal ist, zeigt sie, indem sie den Kompositionen von Biber, Bach und Hoffmeister traditionelle Musik dänischer Fidler und Schweizer Alpenmusikanten beiseitestellt, die durchaus viele Gemeinsamkeiten mit den Motiven und Spielfiguren der komponierten Musik hat.
Dieses außergewöhnliche Programm wäre nicht überzeugend, wenn die einzelnen Stücke nicht so differenziert gespielt würden. Man hört Sarntheins Musizieren an, dass sie sich mit historischer Auffüh-rungspraxis beschäftigt hat. Mit großem stilistischen Einfühlungs-vermögen entwickelt sie für die so unterschiedlichen Kompositionen jeweils eine überzeugende Artikulation und Tongebung. Ihr gelingt es, das Besondere und Einmalige auf den Punkt zu bringen, sodass der Hörer gespannt lauscht.
Ursprünglich war Ursula Sarnthein Geigerin. Das hört man im positiven Sinn ihrem Bratschenspiel an, das leichtfüßig und elegant wirkt. Ihre Bogenführung ist differenziert. Kein Ton klingt wie der andere und wenn sie längere Töne spielt, schattiert sie das Timbre. Ihr Spiel, obwohl sehr virtuos, kehrt nie das Technische in den Vordergrund. Da sie die Töne einander unterordnet und Motive klar voneinander trennt, atmet ihr Musizieren eine innere Ruhe. Selbst sehr schnelle Passagen wirken nie gehetzt. Vielmehr gibt Sarnthein dem Hörer Zeit, jeden Ton, jedes Motiv wirken zu lassen.
So ist ihr Musizieren ein intensives Zwiegespräch mit der Bratsche, mit dem Hörer und einmal sogar mit einer weiteren Musikerin: In Marius Ungureanus’ Cantec de dor spielt Elisabeth Harringer die zweite Viola.
Franzpeter Messmer