Werke von Johann Sebastian Bach, Jorge Ben Jor, Udo Jürgens und anderen, arrang. von Willi März/Anton Hollich
„Neue Wege“
Alexander Wurz (Tenorhorn), Salonorchester Baden-Baden
Die Titelwahl der CD bezieht sich in erster Linie auf die Funktion des Tenorhorns, das als führendes Melodie- und virtuoses Soloinstrument erprobt wird. Alexander Wurz ist zweifellos der geeignete Musiker für ein solches Vorhaben, die Grenzen zwischen klassischer und Unterhaltungsmusik aufzuheben. Von Johann Sebastian Bachs Orgeltoccata, Mendelssohns Auf den Flügeln des Gesangs bis zu Udo Jürgens’ Was wichtig ist, bei dem der Solist sogar als ausgezeichneter Sänger hervortritt (Bonustrack, zum Verwechseln ähnlich mit Jürgens), wird eine breite Palette musikalischer Genres geboten, stets gezeichnet von ausgesprochen niveauvollen Arrangements und teils witziger und überraschender Instrumentation. Das ermöglicht Spielfreude in Klanggebung und Zusammenspiel beim Orchester und bietet dem Solisten eine optimale Einbettung.
Und was der hier zu bieten hat, ist erstaunlich und sehr hörenswert, denn neben der ausgesprochen virtuosen Leichtigkeit schwierigster Passagen verfügt Wurz mit dem Tenorhorn auch über einen melodischen Schmelz und ein dynamisches Modellieren, die etwa in Theo Mackebens Bei dir war es immer so schön oder Mancinis Moon River exemplarisch zum Ausdruck kommen.
Bei solch hoher Spielkultur tritt das Schlagzeug dann doch gelegentlich etwas banal lärmend in den Vordergrund, etwa in der Bearbeitung von Bachs Toccata. Geschmeidiger erscheinen die exotisch perkussiven Einsätze beim Samba Amorada von Waldyr Azevedo oder die Kastagnetten in August Laras Granada und sorgen für ein ausgeglichenes Klangbild.
Gespickt mit geschmackvollen Evergreens kann die CD auf ein hohes Maß an Wiedererkennungseffekt bauen, was der Wirkung des Soloinstruments entgegenkommt. Neben dem Tenorhorn spielt Wurz auch Posaune und Marchingbone und bringt die melodischen Stärken, eine gewisse komische Behäbigkeit der Instrumente im Ausdruck, die an burleske Tom und Jerry-Vertonungen denken lässt, ebenfalls gut hervor.
Die im Booklet beschriebenen neuen Wege aber erschöpfen sich damit auch. Das Repertoire wagt sich keineswegs weiter hinaus, als einen konsensualen Publikumsgeschmack zu bedienen. Das schlägt sich zuweilen auch auf die Interpretationen nieder, da die Titel gelegentlich allzu genremäßig daherkommen. Mackebens schon erwähnte schöne Schnulze gewinnt, als Standardtanz gespielt, eine zwar instrumentiert originelle Färbung, expressiv aber einen Allerweltsgestus und verliert die ihm eher zustehende Intimität eines trauernden Abschiedslieds. Das ist vermutlich der Idee der ganzen CD geschuldet: Tiefe zu vermeiden und Oberflächlichkeit zu kultivieren.
Dies gelingt in jeder Beziehung auf höchst professioneller Ebene und ist sicherlich auch der Sinn von Salonmusik, aber damit ist eben auch ein Muster bedient, das schwerlich als ein neuer Weg benannt sein kann. Ein Titel aus dem Jazz (nicht gerade vom Schlage Moon Rivers) oder der gemäßigten neuen Musik hätten hier tatsächlich für eine neue Farbe gesorgt.
Steffen A. Schmidt