Neubauer, Franz Christoph / Giovanni Punto, Giuseppe Demanchi und anderen

Nassauische Hofmusik

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günter Hänssler PH 14041
erschienen in: das Orchester 12/2014 , Seite 74

Ein etwas in Vergessenheit geratenes Zentrum der Musikkultur des 18. Jahrhunderts rückt eine neue CD aus der Hänssler-Profil-Reihe in den Fokus: das hessische Schloss Weilburg als ehemaligen Sitz des Hauses Nassau. Dirigentin Doris Hagel mit ihrer exzellenten Capella Weilburgensis ist es zu verdanken, dass wir durch die Zusammenstellung auf dieser Neuproduktion einen Einblick in den Kompositionsgeschmack und den Stilwandel einer spannenden Übergangszeit erhalten. Klingt nämlich die anfängliche Kantate von Franz Christoph Neubauer (1760-1795) als Gebrauchsmusik im guten Sinne noch eher wie ein Ausschnitt aus einem Anthem Georg Friedrich Händels, so ist im Hornkonzert von Giovanni Punto (1746-1803) die Stilwende schon deutlicher zu spüren. Solist Stephan Katte überspielt dabei geschickt die hörbaren Nachteile, die durch die Verwendung des Naturhorns hervorgerufen werden (Läufe, Triller), entschädigt dafür aber durch ein traumhaft-weiches Zusammenspiel mit den Streichern im 2. Satz.
In einer viersätzigen Sinfonia von Giuseppe Demachi (1732-1791) kann die Capella Weilburgensis dann ihre besonderen Qualitäten im wahrsten Sinne voll ausspielen. Das Ensemble verwendet alte Instrumente, und durch die Beschränkung der Streicher auf 4/4/2/2/1 ist der Klang immer transparent, ebenso klar wie sauber und von Doris Hagel wohltuend unideologisch auf historische Spielweisen eingeübt.
Ganz auf diesem Niveau kann auch der kongenial agierende Bariton Klaus Mertens in einer Solokantate von Giovanni Paolo Rothfischer (1727-1791) brillieren: Sein edles Timbre, seine Textverständlichkeit und seine musikalische Intelligenz retten über manche kompositorische Schwäche des damaligen nassauischen Konzertmeisters Rothfischer hinweg.
Ein echtes kompositorisches Schmankerl dagegen – für mich die Entdeckung auf der CD – ist das Klavierkonzert von Carl Ludwig Junker (1748-1797). Was man hier zu hören bekommt, ist spritzig-gekonnte Musik – manchmal unkonventionell, manchmal brav, immer aber überraschend, und gelegentlich ist das „Gegen-den-Strich-Schreiben“ eines Wolfgang Amadeus Mozart nicht ganz zu leugnen. Das zu hören macht ebenso Spaß, wie es sich lohnt, den Solisten Markus Kroll auf dem Fortepiano zu verfolgen. Sein Spiel ist perfekt, lebendig und von einem intensiven Dialog mit der Capella Weilburgensis beseelt. Und wenn man bedenkt, dass er für diese CD ein Fortepiano aus dem Jahr 1798 gewählt hat, so kann man ahnen, wie es etwa zur Zeit Haydns und Mozart geklungen haben mag. Allein des letzten Werkes wegen kann man diese Nassau-CD absolut empfehlen, für die Hörer sowieso, und Repertoireerweiterungen für Orchester tun ohnehin immer gut.
Thomas Krämer