Szymanowski, Karol

Mythen

Drei Poeme für Violine und Klavier op. 30, hg. von Wolfgang Birtel, Fingersatz und Striche von Ida Bieler, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: das Orchester 10/2015 , Seite 68

Eine der Besonderheiten von Szymanowskis Mythen ist das Zusammenwirken subtiler klanglich-poetischer Einfälle mit spezifischen satztechnischen Lösungen. Da das Notationsbild der Stücke entsprechend komplex ist, provoziert Wolfgang Birtels praktische Neuausgabe des Werks einen Vergleich mit der erst 2007 in der PWM-Edition erschienenen, von Barbara Konarska betreuten Edition, die wiederum den Wortlaut der Szymanowski-Gesamtausgabe (Band B/9) rekapituliert.
In einer kurzen Vorbemerkung vermerkt Birtel, dass bei der Erstellung des neuen Notentexts zwar das Autograf des Komponisten zu Rate gezogen wurde, dass der Vergleich mit dem Erstdruck von 1921 allerdings „eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen gegenüber der Handschrift“ zu Tage beförderte, die im Zuge der Drucklegung erfolgt sein muss, sodass dieser Druck als „Fassung letzter Hand“ und Grundlage der Neuausgabe benutzt wurde. Weiter betont der Herausgeber, dass nur wenige Korrekturen, Angleichungen und Ergänzungen vorgenommen und zudem „die Fülle von Warn- und Sicherheitsakzidentien reduziert“ wurden, wobei man in Zweifelsfällen auf die Gesamtausgabe zurückgegriffen habe. Leider gibt es weder Informationen darüber, wo genau diese Eingriffe erfolgt sind, noch einen kritischen Bericht, der die Unterschiede erläutert, die sich dadurch zum Wortlaut der Gesamtausgabe ergeben. So weist die Violinstimme etwa Abweichungen beim Ansatz von Crescendo- und Decrescendo-Angaben (in „La Fontaine d’Aréthuse“, T. 14/15 und 40) oder bei Glissandozeichen (in „Narcissus“, T. 52) auf, gelegentlich ist die Platzierung von Vortragsanweisungen verschoben, und im Klavierpart finden sich – insbesondere im ersten Satz – andere Pedalisierungsanweisungen.
Mag man dies noch als Marginalien einstufen, verwundert allerdings das Fehlen des Oktavierungszeichens über einem der letzten Klavierakkorde in „Dryades et Pan“ (T. 153): Obgleich die klangliche Wirkung des Schlusses dadurch entscheidend verändert wird, wird der Benutzer über diese Modifikation nicht aufgeklärt.
Auch andere Probleme lassen sich ausmachen: So ist das Druckbild der Neuedition in Violinpart und Klavierauszug gegenüber der älteren PWM-Ausgabe zwar großzügiger gesetzt und daher auch wesentlich besser lesbar; doch fehlen – was vor allem den Klavierpart betrifft – meistens die Angaben zu proportionalen Unterteilungen innerhalb der figurativen Begleitkonfigurationen (etwa zu Sextolen oder Septolen), was die Lektüre des Notentextes wiederum erschwert. Darüber hinaus sind auch Balkensetzungen bei taktübergreifenden Figurationen verändert worden, sodass Takte, die vorher durch die Notation als zusammengehörend gekennzeichnet waren, nun zu Einzeltakten werden, was sich wiederum auf den Vortrag auswirkt. Inwiefern diese Entscheidungen gerechtfertigt sind, lässt sich anhand der Neuausgabe leider nicht erschließen.
Stefan Drees

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