Werke von Mozart, Graun, C. Ph. E. Bach und anderen

My Oboe

Gregor Witt (Oboe), Daniel Barenboim (Klavier), Streichtrio Berlin, Mitglieder der Kammerakademie Potsdam, Ltg. Yuki Kasai (Konzertmeisterin)/Hans Peter Frank (Cembalo)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Castigo 2480
erschienen in: das Orchester 06/2016 , Seite 71

„My Oboe“: Was für eine Liebe zu diesem prachtvollen Holzblasinstrument stecken hinter diesen zwei Worten! Aber welcher deutsche Holzbläser sagt ernsthaft: „My Oboe“? Warum nicht: „Mon hautbois!“, der Name des Ursprungslands? Oder: „Meine Oboe“, drücken doch diese fünf Silben im Flüsterton zu ihr gesprochen weitaus intimer die wahre Liebe zu diesem herrlichen Instrument aus, zumal ja auch nur „deutschsprachige Musik“ auf der CD erklingt („alle Stücke sind auf ‚Deutsch‘ komponiert“, so Witt im Booklet).
Doch Scherz beiseite, jeder kann sein Instrument nennen, wie er will. Gregor Witt, Solo-Oboist in der Staatskapelle Berlin und Professor für Oboe und Kammermusik an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, stellt vier unterschiedliche Werke für das Instrument vor. Aufgenommen im November 2014 und im März 2015 gesellen sich zu dem Mozart’schen Oboenquartett KV 370 (368b) zwei Konzerte von Johann Gottlieb Graun und Carl Philipp Emanuel Bach. Außerdem setzen die Drei Romanzen op. 94 von Robert Schumann einen romantischen Schlusspunkt.
Geschmeidig mit obertonreichem Klang öffnet Gregor Witt mit der Rufquart die Seele des Zuhörers und verzaubert seine Sinne mit den ersten sonnigen Tönen des Oboenquartetts aufs Angenehmste. Locker, vital und sehr blumig begleitet das Streichtrio Berlin mit Wolfram Brandl (Violine), Felix Schwarz (Viola) und Andreas Greger (Violoncello) den Solisten und webt fein ziseliert den Klangteppich. Ein wunderbarer und überaus gelungener Einstieg in die CD.
Grauns Konzert in c-Moll erklingt in den Konzertsälen viel seltener und wirkt gegen das Quartett etwas düsterer. Man könnte sagen, es verdeckt den Mozart’schen lichten Himmel mit einigen Wolken. Dennoch kann sich der Hörer schnell auf das Werk einstellen, da der Kopfsatz mit abgeklärter Frische und unterhaltender Harmlosigkeit beginnt. Vom Charakter eher norddeutsch kühl mit einer gewissen Strenge komponiert, ist das technisch nicht sehr schwierig zu spielende Konzert nicht nur wegen des Cembalos noch dem barocken Duktus verpflichtet. Streicher der Kammerakademie Potsdam musizieren schlank und unaufdringlich.
Sie überzeugen auch im nachfolgenden Konzert Es-Dur Wq 165 des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel. Es ist das erste von den zwei Oboenkonzerten, die er 1765 komponierte und mit denen er bedeutend in Richtung Vorklassik prescht, weil sowohl Cembalo als auch Streicher die reine Begleitfunktion aufgeben. Witt verwendet in beiden Konzerten eine schöne, dunkel gedeckte Oboe, die wohl einer Barockoboe nachempfunden wurde, während er im Oboenquartett und in den Romanzen eine hoch tönende benutzt. Nicht nur deswegen erscheint der Unterschied nach den sechs nachbarocken Sätzen mit munter aufspielenden Streichern zu den Romanzen ziemlich krass, die nicht so ganz in diese Reihe passen mögen. Wenn diese jedoch für sich gehört werden, erklingen sie dennoch zauberhaft interpretiert, innig nachempfunden mit einem ausgezeichneten Daniel Barenboim am Flügel.
Werner Bodendorff