Moritz Eggert
Muzak/Number Nine VII: Masse
Moritz Eggert (Stimme), Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. David Robertson/Peter Rundel
Die mit dem Kunstwort „Muzak“ bezeichnete Musik, die an öffentlichen Orten wie Fahrstühlen, Supermärkten oder Restaurants in Gestalt von Hintergrundklängen auf uns einströmt, gehört zu den zweifelhaften Errungenschaften des 20. Jahrhunderts; auf privater Ebene entspricht ihr das Verhalten, Musik als Hintergrund für häusliche Tätigkeiten zu verwenden oder eben das Radio permanent laufen zu lassen.
Moritz Eggert stellt sich dem daraus resultierenden Paradoxon, indem er es auf die Frage zuspitzt, warum das auf Allgemeingültigkeit gerichtete und dem Konzertsaal zugedachte Schaffen eines zeitgenössischen Komponisten eine andere Qualität haben sollte als jene Hintergrundmusik, mit der wir uns im Alltag umgeben, da es sich doch in beiden Fällen um Bestandteile unserer Lebenswirklichkeit handelt.
In seiner Komposition Muzak (2016) zieht Eggert die Konsequenz aus solchen Überlegungen und verdeutlicht zugleich, wie stark unser kulturelles Gedächtnis tatsächlich von popkulturellen Elementen durchdrungen ist: Als Stimmperformer dem Orchester vorstehend, simuliert er, eingebettet in ein raffiniertes Spiel mit stilistischen Umschwüngen, das charakteristische Klangprofil zahlreicher Persönlichkeiten, ohne dabei mit musikalischen Zitaten zu arbeiten.
Resultat ist ein Gefüge, in dem Splitter von Elvis Presley, Billy Idol, David Bowie, James Brown oder Herbert Grönemeyer aufblitzen, in das aber auch Anspielungen auf Schlagerstars wie Rex Gildo, Udo Jürgens oder Heino sowie Klangsignaturen aus Motown-Sound, Punk, Rock oder Party-Techno à la Scooter eingeflochten sind. All dies verknüpft Eggert zu einem unterhaltsamen, mit ironischen Spitzen angereicherten Klangteppich, der einerseits das Moment ständigen Fließens rekapituliert, mit dem uns Hintergrundmusik in der Alltagsrealität begegnet, der andererseits aber auch Assoziationsräume bereitstellt und vielleicht gar emotionale Reaktionen triggern kann.
Das unter David Robertson agierende Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks begegnet, erweitert um Instrumente aus dem Pop/Rock-Sektor wie E-Gitarre, E-Piano und Drumset, gut gelaunt den Erfordernissen des Stücks, für dessen Uraufführungsmitschnitt man sich jedoch an wenigen Stellen eine geeignetere Abmischung wünschen könnte.
Ein Pendant zu Muzak bietet das weitaus kürzere Orchesterstück Number Nine VII: Masse (2008), das den Komponisten von einer ganz anderen Seite zeigt: Musikalisch geht es hier um die differenzierte Arbeit mit der unablässig beschäftigten Masse von Orchestermusikern, die sich, gelenkt von Peter Rundel, in einer minutiösen Strukturierung von zeitlichem Verlauf und in ihn eingebetteten Verdichtungs- und Verschmelzungsprozessen äußert.
Insgesamt weist diese CD-Produktion Moritz Eggert als einen scharfsinnigen Komponisten aus, dessen Musik uns einiges zu sagen hat.
Stefan Drees