Overbeck, Peter (Hg.)

Musikjournalismus

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2005
erschienen in: das Orchester 06/2006 , Seite 78

Der Sammelband vereint Beiträge verschiedener Autoren, die zumeist selbst auf diesem Sektor tätig sind und somit manch Wertvolles zu dem wohl bewusst weit gespannten Themenkreis beitragen können. In einem ersten Kapitel wird das heikle Thema „Musik und Journalismus“ zunächst allgemein – historisch wie systematisch – beschrieben und eingegrenzt, wobei die Problematik und die gegenwärtige Krise der Musikkritik zur Sprache kommen; ein Kernsatz, bezogen auf die Tageszeitungen, lautet schlicht und wahr: „Leben kann man davon nicht“ (S. 27). Aber auch „medienübergreifende Musikvermittlung“, ein Bereich, der zunehmend an Bedeutung gewinnen dürfte, wird thematisiert und spezielle Unterkapitel widmen sich „Musik und Urheberrecht“ sowie den „Verwertungsgesellschaften“, die über die Vergütung des Gebrauchs geistiger Werte in unserer immer unübersichtlicher werdenden Medienwelt wachen.
Ein eigenes Kapitel ist dem „Musikjournalismus im Rundfunk“ gewidmet, wo sich dank der flächendeckenden Verbreitung der Kulturprogramme zurzeit noch die lohnendsten Verdienstmöglichkeiten finden. Beklagt wird hier die schablonenhafte Egalität der meist ungenügend sprachlich ausgebildeten „Moderatoren“, die sich da im Äther tummeln, und auf die speziellen Bedingungen hingewiesen, die Sprechen im Radio verlangt – im Grunde Selbstverständlichkeiten, die aber in der Praxis heute mehr und mehr vernachlässigt werden.
In den folgenden Kapiteln wird unterschieden zwischen „Musikjournalismus im Kulturradio“ und seiner Stellung im „öffentlich-rechtlichen Popradio“; private Wellen werden nicht berücksichtigt, was wohl auch damit zusammenhängt, dass ein Teil der Autoren bei öffentlichen Anstalten beschäftigt ist. Wie stark allerdings deren massenwirksame, mosaikartige Programmstruktur auch den Kulturrundfunk der Öffentlichen beeinflusst hat, kann man dort ja Tag für Tag erleben. Auch in diesem Band schlägt sich der eklatante Widerspruch zwischen Anspruch und Realität nieder: Da wird zunächst sachkundig über „Musikdramaturgie“ im Rundfunk referiert und das Postulat aufgestellt, Werke als Ganzes zu betrachten und nicht in Einzelsätze zu zerreißen, und dann propagiert Wilhelm Matejka, heute Programmleiter beim RBB in Berlin, in seinen Ausführungen zur modernen „Programmstruktur“ (S. 109 ff.) eben diese, jede Werkstruktur missachtende Kleinteiligkeit, wie sie in der Annahme kreiert wurde, der Rundfunk sei heute generell nur noch „Begleitmedium“; den „Zuhörer“ von früher gebe es einfach nicht mehr. Es ist derselbe Matejka, der vor zwanzig Jahren im WDR kenntnisreiche und höchst anhörenswerte zweistündige (!) Programme moderierte, die sich ausschließlich einem bestimmten Kammermusiksegment nur eines einzigen Komponisten zuwandten…
Nichts desto weniger bringt dieser Band – und darin zumal die Kapitel über „Musikjournalismus in Print und Internet“ sowie „Beruf Musikjournalist“ – viele wertvolle Hinweise und Anregungen gerade für Studenten, die in diese Richtung streben, und in den „Perspektiven multimedialer Musikvermittlung“ wagt Autor Michael Schmidt gar einen Blick in die (denkbare) Zukunft. Ein Glossar, auf das im Text stets durch kleine Pfeile verwiesen wird, und ein – thematisch wie alphabetisch geordnetes – Literaturverzeichnis werten das Buch zudem zu einem praktischen Nachschlagewerk auf, in dem alles Wissenswerte zum Thema zu finden sein dürfte.
Gunter Duvenbeck