Musikalische Morgenunterhaltung
Kammermusik der Romantik auf Originalinstrumenten. Werke von Mendelssohn Bartholdy, Schumann, Wieck u.a.
Die Geschichte der Musik wird nicht zuletzt erzählt von den Musikinstrumenten, die in den verschiedenen Epochen zur Verfügung standen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber nach wie vor spannend. In Leipzig entwickelte sich nach der Wende ein Zentrum vor allem des romantischen Instrumentariums: Im Zusammenwirken von Bach-Archiv, Mendelssohn- und Schumann-Haus sowie dem Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig wurde die Initiative zur Wiederbelebung alter Originalinstrumente bzw. getreuer Nachbauten fragiler historischer Funde geboren. Eine CD-Reihe macht mit den Instrumenten bekannt, und die 6. Folge widmet sich nun explizit der (früh-)romantischen Epoche.
Man staunt über den Reichtum des Instrumentariums, das vor allem Liebhaber der Musik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielten. Denn neben einem Hammerflügel von Johann Nepomuk Tröndlin (um 1830) und Streichinstrumenten aus der Barockzeit gibt es eine Gitarre (1817), eine Harfe (1775) und eine Lyragitarre (um 1820), des Weiteren ein Ventilhorn (um 1845) und ein tragbares Tasteninstrument mit Namen Orphika (um 1810) im Bestand des Leipziger Museums, die man auf dieser CD hören kann. Daneben gibt es getreue Nachbauten von Klarinetten, einer Glasharmonika, einer Traversflöte, einer Czakan-Stockflöte und einer (von Berlioz gern eingesetzten) Ophikleïde.
Einige dieser heute exotisch klingenden Instrumente sind ausgesprochene Raritäten, da kaum Exemplare in spielbarem Zustand erhalten sind. Sie wurden auch nicht in großer Stückzahl gebaut und blieben selten durch Originalwerke berühmter Komponisten in Erinnerung. Ihr Reiz erschließt sich auch seltener in großen Konzerten, im Gegenteil erfordern sie häufig das intime Ambiente privater musikalischer Erbauung. Gerade in Leipzig wurden sie gern verwendet: Ein großer Teil der Kammermusik und des Liedschaffens der Romantik war nicht für die große Konzertbühne gedacht, sondern entstand für die spezifischen Bedürfnisse einer wachsenden kulturellen Trägerschicht, die aus Industriellen, Kaufleuten, Gelehrten, [
] Beamten, Publizisten und mancherorts auch Adligen bestand, schreibt Anselm Hartinger zurecht im Booklet dieser CD. Um 1840 entstanden eine Reihe von kammermusikalischen Sonderveranstaltungen zur Konzertreihe des Gewandhauses, und bei den berühmten Morgenunterhaltungen ließen sich 1843/44 auch Robert und Clara Schumann hören.
So ist das Repertoire, das das Ensemble Leipziger Consort hier vorstellt, meist genauso selten zu hören wie es die Instrumente sind. 1997 gegründet, spielen die Absolventen und Dozenten der Sparte Alte Musik an der Hochschule Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig Werke von Mendelsohn, Gade, Robert und Clara Schumann, Weber und Marschner, aber auch von Johann Georg Tromlitz, Heinrich Backofen, Gotthelf Heinrich Kummer, Bach/Moscheles, Bernhard Heinrich Romberg und Carl Ferdinand Becker. So bieten diese Aufnahmen eine aufregende Entdeckungsreise in eine gemeinhin als bekannt geltende musikalische Landschaft.
Matthias Roth