Bernhard König

Musik und Klima

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: ConBrio/Oekom verlag Regensburg/München
erschienen in: das Orchester 12/2024 , Seite 65

„Musik bewegt nicht nur nur die Herzen und Sinne. Sie bewegt auch Autos und Flugzeuge, Beton und Datenströme, seltene Erden und Plastikmüll. Sie trägt an vielen Stellen dazu bei, dass lebende Biomasse in tote, anthropogene Masse umgewandelt wird und leistet auf diese Weise ihren eigenen Beitrag zur Verhässlichung der Welt.“ Auf Seite 140 seines Kompendiums zwischen den Polen Musik und Klima gelangt der Komponist Bernhard König (geb. 1967) zu dieser Bedingtheit, die jeden ethisch legitimierenden Eskapismus aus der drohenden Umweltkatastrophe fernerhin unmöglich macht. Auch die für das Wahre, Gute, Schöne eintretenden Sachwaltenden, Bewahrenden des kulturellen Gedächtnisses und Apologet:innen einer besseren Welt durch Musik gehören zu den Protagonist:innen des Klima- und Umweltverschleißes. König erinnert sich in seinem Aufriss zur Position der Kunstform und Handelsware Musik und ihrer Bedeutung als Konsum- und Wirtschaftsfaktor immer wieder an die 1980er Jahre, als sich westliche Jugendliche mit dem Krefelder Appell und der Gründung der Partei Die Grünen anschickten, die Welt zu retten wie die Generation Z um Greta Thunberg.
König ist sich seiner anfechtbaren Methode zwischen Wissenschaftlichkeit und persönlicher Perspektive bewusst, wenn er zum Beispiel die in der Ästhetik der Neuen Musik abgelehnte Kategorie der ‚Schönheit‘ wiedereinführt und in Opposition zur Verhässlichung der Welt durch die Auswirkungen des Klimawandels verwendet. Natürlich erwähnt König auch Initiativen von Musikeinrichtungen für Nachhaltigkeit. In einem weiteren Schritt macht König deutlich, dass die ethische Dimension der Musik als kultureller Basiswert und Statussymbol ökologisches Bewusstsein nicht ausbremsen darf. Die Musikindustrie und die globale Online-Verfügbarkeit hat in der Ausbeutung von seltenen Rohstoffen und dem Anwachsen der Müllberge durch Industrie- und Zivilisationsgüter keinen Ausnahmestatus. Wenn König eine ethisch orientierte Produktion fordert, ist er sich mit der Erinnerung an sein gescheitertes Jugendprojekt eines großen Oratoriums mit ökologischer Thematik der Grenzen solcher Initiativen bewusst.
Der Gründer des interreligiösen und interkulturellen Projekts Trimum, das Musik in langfristige interkulturelle und interdisziplinäre Prozesse einbindet, beschreibt immer wieder die Bedingungen des Musiklebens der Vergangenheit. Das macht seine Schrift mitunter weitschweifig, aber nicht langatmig. Die Verbesserung einer Musikwirtschaft ist nur mit einem umgreifenden Wertewandel möglich. Königs Einsatz versteht sich als wesentlicher Schritt zur Bewusstmachung für Berufsmusiker:innen und Musik­kon­su­ment:innen.
Roland Dippel