Goeth, Maria

Musik und Humor

Strategien, Universalien, Grenzen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Olms, Hildesheim 2016
erschienen in: das Orchester 09/2017 , Seite 65

Die vorliegende Veröffentlichung wurde 2015 als Dissertation angenommen und im vergangenen Jahr einem breiteren, nicht ausschließlich akademischen Publikum zugänglich. Der weit formulierte Titel – mit dem gutmütig-allumfassenden Wörtchen „und“ zwischen „Musik“ und „Humor“ – spricht sicherlich viele Leser an.
Das Thema selbst ist alt und der Streit darüber auch. Was nahe liegt, denn tatsächlich ist es gar nicht so leicht zu sagen, worüber man bei dem Verhältnis Musik und Humor eigentlich spricht. Die Autorin versucht, den sprachlichen, gedanklichen und konzeptionellen Urwald zu lichten, und schlägt dabei mächtig ins Unterholz. Schon ein Blick ins Inhaltsverzeichnis macht das anschaulich. Goeth informiert in insgesamt 25 Kapiteln in drei Teilen über Humortheorien und stellt eine eigene Konzeption vor, die die bisherigen offenbar überbieten soll. Weiter geht es mit Rezeptionen musikalischen Humors und führt schließlich zu Strategien musikalischen Humors: solchen, die mit „einzelnen musikalischen Elementarfaktoren operieren“ – wie Rhythmik, Dynamik, Harmonik, Klangfarbe –, und solchen, die das mit „mehreren musikalischen Elementarfaktoren gleichzeitig“ tun. Deren Kategorien, obwohl ebenfalls Elementarfaktoren genannt, treten
hier aber höchst komplex auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen auf: Humor durch Parodie, Dilettantismus, Schlichtheit, Geläufigkeit, durch Tumult oder durch das Verhältnis zwischen Musik und Text. Die Frucht all der Beschreibungen und Differenzierungen ist „eine Taxonomie musikalischen Humors“.
Spätestens mit diesem Anspruch zeigt sich die Problematik von Maria Goeths Arbeit. Denn eine Taxonomie ist ein Modell, ein Klassifikationsschema oder eine hierarchische Ordnung von Objekten. Humor aber ist kein Objekt, ja nicht einmal eine Gattung in der Kunst wie beispielsweise die Komik. Das Buch beginnt mit einer Frage: „Kann Musik Humor erzeugen?“ Die Autorin muss davon überzeugt sein, denn sonst wäre ihre wirklich beeindruckende Fleißarbeit nicht in Gang gekommen. Doch wenn Sprache weiterhin der Verständigung dienen soll, muss man die Frage natürlich mit einem klaren Nein beantworten. Humor ist eine innere Haltung, eine Begabung, eine Mitgift und Teil des Charakters, des Temperaments oder der Persönlichkeit. Wie man es beschreibt, ist – im Wortsinne – gleichgültig. Denn in jedem Fall gilt, dass man Humor nicht erzeugen kann, ihn auch nicht erwerben oder lernen kann. Humor hat man oder nicht.
Zweifellos kann Musik komisch wirken, zum Lachen reizen, verblüffen und sogar kompositorische Stilmerkmale als Konfektionsware enthüllen. Doch all das – wie in jeder Kunst – immer nur für den Kundigen, den in die Materie eingeweihten Menschen. Mal abgesehen von elementaren klanglichen Jokes wie körperähnlichen Lauten und Tierstimmenimitationen.
Fazit: eine enorme Fleißarbeit, der es aber an Sinn mangelt.
Kirsten Lindenau