Michaela Fridrich

Musik neu vermitteln

Ein Plädoyer

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: edition text + kritik
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 62

Michaela Fridrich versucht in diesem kleinen Buch Großes: einen Ausweg aufzuzeigen aus der elitären Sackgasse, in der der Kultur- und Musikbetrieb zu landen droht, sollte er nicht einen grundsätzlichen Perspektivwechsel vollziehen. Dieser Perspektivwechsel ist alternativlos.
Zu dieser Überzeugung ist Fridrich als Musikredakteurin des Bayerischen Rundfunks gekommen. Selbst mit der Aufgabe der „Vermittlung“ betraut, gestaltete sie ein Feature auf der Basis von Gesprächen mit Spezialist:innen für „Musikvermittlung“ aus Praxis und Lehre. Trotz Vorbehalten gegen diese Begrifflichkeit schöpft sie doch wesentliche Ideen aus diesen Praxiskontakten. Die am Schluss des Buchs protokollierten Überlegungen der „Vermittler:innen“ machen das Substrat dessen aus, was Fridrich kommuniziert. Allein schon diese sieben Statements lohnen die Lektüre.
Fridrichs Blick ist geschärft durch die Jahre, die hinter ihr liegen: Die Krise, in die das öffentliche Musikleben in den vergangenen beiden Jahren geriet, wurde durch Corona zugespitzt. Beobachtete sie schon vorher eine gewisse Distanz zwischen Künstler:innen und Publikum, so liegt das Elend der Einsamkeit der Kunstmusik mit den Corona-Einschränkungen bar und bloß; kein Streaming kann hier am zerbrochenen Kontakt etwas flicken. Es sei denn, die Künstler:innen entwickeln selbst Initiativen, die Menschen zurückzugewinnen. Als großartiges Modell – lange vor Corona entwickelt – beschreibt Fridrich die Aktivitäten der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, wo die Verbindung zwischen Künstler:innen und dem zukünftigen Publikum Programm ist: nicht als besondere „Vermittlungsaufgabe“, sondern als selbstverständliche Arbeit der Künstler:innen. Im besten Fall sollte die Kommunikation mit den Hörer:innen eben nicht Aufgabe eines eigenen Berufs oder einer Sparte sein, sondern ein Gespräch auf Augenhöhe zwischen den Beteiligten. Es geht darum, „Mensch und Musik miteinander in Kontakt zu bringen“. Emphatisch verkündet Fridrich: „Wem sonst, wenn nicht ihnen [den Künstler:innen] soll man es glauben, dass ein Leben für und mit Musik ein reicheres, ein erfüllteres Leben ist.“
Vermitteln im Sinne von Michaela Fridrich heißt, die Bedürfnisse beider Seiten im Blick zu haben. „Es geht nicht nur darum, die Menschen an die Kultur heranzuführen, sondern auch umgekehrt die Kulturschaffenden für die Menschen zu interessieren.“ Die Corona-Krise habe schmerzhaft ein Fenster geöffnet – man sollte es nutzen. Was sich so einfach anhört, ist jedoch schwer zu machen. Deshalb sind die Ideen der Praktiker:innen in dem Büchlein so wichtig.

Dorothea Kolland