Spahn, Claudia / Bernhard Richter

Musik mit Leib und Seele

Was wir mit der Musik machen und sie mit uns

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schattauer, Stuttgart 2016
erschienen in: das Orchester 10/2016 , Seite 55

Ein seltsames Buch – soll man es empfehlen oder eher nicht, und wenn ja: wem? Bereits der grammatisch verunglückte Untertitel irritiert. Vielleicht gehört zum richtigen Adressatenkreis jener gar nicht so seltene musikinteressierte Mediziner, der feierabendlich in einem der zahlreichen und oft sehr guten Ärzteorchester mitwirkt? Die Reihe Wissen&Leben, in der das Buch erschienen ist, verfolgt erklärtermaßen das Ziel, durch „wissenschaftlich renommierte Autoren anspruchsvolle Themen auf unterhaltsame Weise präsentieren“ zu lassen.
Beide Autoren sind als Professoren am Freiburger Institut für Musikermedizin tätig und zugleich
als praktische Musiker ausgewiesen. Allerdings gibt es im Buch leider keinen Hinweis darauf, wer von beiden jeweils welche der zehn Kapitel verfasst hat. Gewisse wahrnehmbare stilistische Unterschiede deuten darauf hin, dass es sich überwiegend wohl eher nicht um gemeinsam produzierte Texte handelt, sondern dass zumindest die Federführung jeweils bei einer Person gelegen hat.
So geben sich einzelne Kapitel eher wissenschaftlich-seriös (etwa Nr. 1: „Singen und Musizieren“), andere wiederum ausgesprochen populärwissenschaftlich, indem sie eine Fülle mehr oder weniger geläufiger Fakten zusammenstellen, die dem interessierten Leser bereits aus einschlägigen Publikationen vertraut sein dürften (etwa in Nr. 5 zur Zauberflöte).
Die Themen sind vielfältig und kaleidoskopartig bunt: Nebeneinander stehen werkbezogene Ausführungen zur Popularmusik (Nr. 2: „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ – anziehende Stimmen im Dschungelbuch; gemeint ist der gleichnamige Film von Walt Disney), zur musikalischen Klassik (Nr. 5: Mozarts Zauberflöte – die Kraft der Musik), aber auch zu Themenbereichen der Musikausführung (Nr. 9: „Toi, toi, toi! Merde! Hals- und Beinbruch“ – Auftrittsrituale), der Musikrezeption und der Musikphysiologie (Nr.6: Das Ohr – Tor zur Seele; und Nr. 1: Singen und Musizieren mit Leib und Seele). Eher populistisch muten manche Passagen in „Göttliche Stimmen – Callas, Elvis & Co“ (Nr. 3) an. Hier geschieht der Einstieg tatsächlich gar über den Automobilbau, nämlich über das historische Modell DS von Citroën, die „Déesse“ (die Göttin). Wesentlich seriöser sind in der Folge dann jedoch die Ausführungen über das historische Kastratenwesen.
Das Ganze ist zweifellos angenehm zu lesen und durchaus unterhaltend, dabei manchmal ein wenig im Plauderton gehalten. Auffällig ist die ausgeprägte Neigung, Begriffe in distanzierende Anführungszeichen zu setzen. Die Texte wenden sich in der Tat eher an den interessierten Laien, der nicht über das nötige einschlägige Hintergrundwissen und über den Fundus einer Fachbibliothek verfügt, weniger jedoch an ausgebildete Musiker oder Wissenschaftler, die hier zahlreiche offene Türen vorfinden dürften.
Arnold Werner-Jensen