Werke von Luigi Cherubini, Franz Seraph Destouches, Johann Christian Heinrich Rinck und Ludwig van Beethoven

Musik in Thüringen zur Beethovenzeit

Roland Schulenburg (Fagott), Reussisches Kammerorchester, Ltg. Werner Ehrhardt

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Klanglogo
erschienen in: das Orchester 6/2022 , Seite 73

Das Beethoven-Jubiläum 2020 führte auch zu Entdeckungen unbekannter Kompositionen neben dem Beethoven-Kosmos. Mit der vorliegenden CD zog das Reussische Kammerorchester dieszebüglich nach. Der Spezialtrupp für Kammer- und Alte Musik aus dem Philharmonischen Orchester Altenburg Gera feierte den Jubilar in der Zusammenarbeit mit Helen Geyer, die an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar über den von Beethoven bewunderten Luigi Cherubini forscht und dessen Werkausgabe vorantreibt.
Am Beginn der CD steht die Ouvertüre zu Cherubinis nach der Uraufführung 1806 in Wien wenig, doch in Thüringen durchaus erfolgreichen Oper Faniska. Dann erklingen zwei aufschlussreiche Weltersteinspielungen. Der gebürtige Münchner Franz Seraph Destouches (1772-1844) komponierte für das Weimarer Hoftheater die Musik zu mehreren Schauspielen Friedrich Schillers und Zacharias Werners. Seine Ouvertüre zu August von Kotzebues Die Hussiten vor Naumburg im Jahr 1432, einem vaterländischen Schauspiel mit Chören in fünf Akten, ist ein effektvolles Gebrauchsstück mit scharfen Kontrasten, heroischem Kolorit und symphonischer Durchführung.
Das erste Fagottkonzert von Johann Christian Heinrich Rinck (1770-1846) war ein Nebenwerk des vor der Bach-Renaissance weltberühmten Orgelspielers und -pädagogen aus Ilmenau. Der Schott-Verlag versprach sich von Rincks damaliger Popularität einen zusätzlichen Erfolgsschub, als man ihn mit der Einrichtung des Klavierauszugs von Beethovens Missa solemnis beauftragte. Beethovens erste Symphonie als letztes Werk auf der CD steht für den Aufbruch in eine neue Ära des Konzertlebens.
Mit dem Reussischen Kammerorchester demonstriert Werner Ehrhardt eher Gemeinsamkeiten als individuelle Unterschiede der Werke und folgt der Haltung des Solisten. Roland Schulenburg nimmt alle virtuosen und kantablen Möglichkeiten von Rincks Solopart mit aufmerksamer, souveräner Gelassenheit. Besonders schön gelingt der langsame Satz. Das Fagottkonzert ist die am meisten überzeugende Interpretation auf dieser CD.
Beethovens Erste wäre mit schärfer strukturierenden Kontrasten denkbar. Die Einspielung ist geprägt von lichter Transparenz und weicher Leichtigkeit. Deshalb wird nicht ganz deutlich, was für einen intensiven Aufbruch die harmonischen und satztechnischen Neuerungen der Jahre zwischen Französischer Revolution und Wiener Kongress bedeuteten. Eher merkt man, wie universell der musikalische Gestus in Europa bis 1810 war, bevor die Spezifizierung durch Kolorit und Auffächerung in nationale Idiome einsetzte.
Cherubinis dichter Stimmsatz gerät derart schlank, dass die von Zeitgenossen immer wieder artikulierte Kompliziertheit stark vereinfacht scheint. Bei der Kotzebue-
Ouvertüre erfreut sich das Reussische Kammerorchester hörbar an deren Effekt-Möglichkeiten.
Roland Dippel