Laks, Simon
Musik in Auschwitz
Aus dem Polnischen von Mirka und Karlheinz Machel, durchgesehene und erweiterte Neuausgabe, hg. von Frank Harders-Wuthenow und Elisabeth Hufnagel, mit CD
Auschwitz, Symbol für die Hölle auf Erden, war dem Spiegel erst kürzlich wieder eine Titelgeschichte wert, als die letzten greisen SS-Aufseher aufgespürt wurden. So ist dieses Buch eines Augenzeugen aktueller denn je. Drei Jahre nach seiner Befreiung 1945 wollte Simon Laks Zeugnis ablegen und veröffentlichte seine Erinnerungen an die grauenvolle Zeit im Lager zunächst auf Französisch und 30 Jahre später überarbeitet auf Polnisch. 1998 erschienen sie endlich auch auf Deutsch, waren aber schnell vergriffen. Inzwischen wurden Werke des Komponisten Simon Laks neu entdeckt und bei Boosey & Hawkes verlegt. Es bot sich an, auch seine Erinnerungen wieder zu veröffentlichen.
So verfolgt dieses Buch zweierlei: Einerseits führt es dem Leser noch einmal die unmenschlichen Bedingungen vor Augen, unter denen in diesem Vernichtungslager Musik gemacht wurde, andererseits wirbt es um Anerkennung für die Werke eines durch die Umstände vergessenen Komponisten. Beide Aspekte sind eng miteinander verwoben.
Simon Laks wurde 1901 in Warschau geboren, studierte dort und später in Paris die Fächer Geige, Dirigieren und vor allem Komposition. In enger Verbindung zur französischen Avantgarde der Zeit begann er eine hoffnungsvolle Karriere. Nach der deutschen Besetzung zunächst in Frankreich interniert, wurde er 1942 nach Auschwitz deportiert. In sachlicher, fast kühler und doch persönlicher, anrührender Sprache schildert Simon Laks die furchtbaren Zustände im Lager, gipfelnd in dem Satz: Es gibt wohl in keinem Lager einen Juden, der zu glauben wagt, er sei ein Mensch wie jeder andere.
Und er spricht von den Zufällen, die den Gedemütigten und den zur Nummer Degradierten zu überleben halfen. Durch einen solchen Zufall eigentlich wurde ein polnisch sprechender Bridgespieler gesucht kam Laks in das Lagerorchester, eine Ansammlung mehr oder weniger ausgebildeter Musiker. Sie mussten zum Ausrücken der Arbeitssklaven Märsche spielen wie auch das Mädchenorchester in Auschwitz. Im Lager hatten beide Orchester ähnlich harte Bedingungen, doch gehörten die Mitglieder zu den Privilegierten unter den Häftlingen sie waren unentbehrlich. Laks rückte bald zum Kapellmeister auf, vor allem aber arrangierte und komponierte er neue Stücke zur Unterhaltung, jetzt auch für die Aufseher. Dabei kam ihm seine gründliche Ausbildung zugute.
Laks überlebte, konnte aber nicht wieder dort anknüpfen, wo er vor seiner Deportation als anerkannter Geiger und Komponist in Paris aufgehört hatte. Die musikalische Avantgarde spielte jetzt woanders. Doch langsam rückt der Komponist Simon Laks auch durch die Arbeit von musica reanimata wieder in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, wozu auch die dem Buch beigegebene CD beitragen will. Hier lernt man einen Komponisten kennen, der sein Handwerk virtuos beherrscht, dessen Musik französische Einflüsse ebenso verarbeitet wie jüdische Volksmusik, die Lieder seiner Kindheit. Und gerade im September 2014 hat Christoph Marthaler an der Berliner Staatsoper ein Stück mit dem Titel Letzte Tage realisiert, in dem auch Musik von Simon Laks zu hören war.
Ursula Klein