Anne-Kathrin Lindig, neue Präsidentin der HfM Weimar/© Bernd Lindig

Gespräch: Ute Grundmann

„Musik hat auch Verantwortung“

Anne-Kathrin Lindig, neue Präsidentin der HfM Weimar, über den Wandel von Lehrinhalten und Karrieren

Rubrik: Thema
erschienen in: das Orchester 9/2022 , Seite 26

Die Musikhochschule Weimar feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen. Seit mehr als vier Jahrzehnten ist ihr Anne-Kathrin Lindig verbunden. Von 1980 bis 1986 studierte sie hier Violine, seit 1993 ist sie Professorin an der nach Franz Liszt benannten Hochschule. Jahrelang war sie Prorektorin und Dekanin, 2018 wurde sie Vizepräsidentin. Jetzt folgte sie als Präsidentin auf Christoph Stölzl, der das Amt zwölf Jahre lang innehatte. Sie plant neue Schwerpunkte, nicht nur im Bereich Digitalisierung – auch unter dem Eindruck der Pandemie und sich ändernder Lebensentwürfe.

Sie haben Ergänzungen des Curriculums angeregt, um besser auf die „Patchwork“-Berufsaussichten junger Musiker zu reagieren. Welche Erfahrungen oder Ereignisse haben diese Idee angestoßen?
Anne-Kathrin Lindig: Die vergangenen zwei Jahre und die derzeitige bedrückende Situation in der Welt haben mir wieder bewusst gemacht: Wir Musiker:innen, wir Künstler:innen müssen unseren Beitrag zur Kultur, zur Sicherheit, ja auch durchaus zu Gesundheit, Wohlstand und Glück in unserer Gesellschaft tiefgründig überdenken und an einigen Stellen neu formulieren.
Dabei haben gerade die Kunst- und Musikhochschulen in dieser sensiblen Zeit mit Nachdruck auf die gesellschaftliche Bedeutung von Musik und musikalischer Bildung hinzuweisen. Musik ist Bildung, ist eine Sprache. Bildung und Sprachen schaffen Verbindungen, soziale Kontakte, schützen vor Einsamkeit und Isolation, sind friedenstiftend.
Das Streben nach künstlerischer Exzellenz ist Teil unseres Bildungsauftrags, das steht außer Frage. Für mich ist die Spannweite des Auftrags aber durchaus umfassender. Sie beinhaltet auch die musikalische Breitenbildung, sie schließt die Wissenschaft und Pädagogik ein. Sie umfasst gesellschaftliche Verantwortung und klare Positionierung. Unser Auftrag ist es, Musik zu vermitteln, für Musik zu begeistern.

Wie kann das gelingen?
Wir leben in einer revolutionär dynamisierten Musikkultur. Die Möglichkeiten musikalischer, pädagogischer und wissenschaftlicher Aktivitäten sind nahezu grenzenlos geworden, insbesondere durch die Digitalisierung zahlreicher Arbeits- und Lebensbereiche. Musikrezeption und -produktion aller Formen und Genres ist weitgehend zeit-, situations- und ortsunabhängig geworden. Ich sehe deshalb vor allem in Bereichen wie Musikpädagogik, in der Instrumental- und Vokalpädagogik, in der Kammer- und Ensemblemusik, in den Bereichen Selbst- und Kulturmanagement, aber auch in angewandter Musikwissenschaft die Notwendigkeit für berufsorientierte Ergänzungen im Curriculum…


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