Louise Farrenc
Music for Violin and Piano
Daniele Orlando (Violine), Linda Di Carlo (Klavier)
Dass Luise Farrencs Kompositionen immer noch zum Nischenrepertoire gehören, ist eigentlich skandalös. Die hier versammelten Werke für Violine und Klavier künden vom hohen musikalischen Anspruch und kompositorischen Niveau, mit dem die Komponistin Mitte des 19. Jahrhunderts eine für die französische Musik dieser Zeit eher untypische Gattung bediente. Zwei Jahrzehnte, bevor die Sonate mit den großformatigen Werken der männlichen Kollegen Camille Saint-Saëns, Gabriel Fauré oder César Franck in Frankreich eine neue Blüte erreichte, setzte Farrenc auf eine den vorromantischen Traditionen verpflichtete Vermittlung von architektonischem Ebenmaß und musikalischem Ausdruck und schuf auf dieser Grundlage zwei sehr unterschiedliche Werke.
Daniele Orlando und Linda Di Carlo haben ein ausgesprochen gutes Gespür dafür, im gemeinsamen Musizieren die Qualitäten dieser Kompositionen herauszuarbeiten. Ihre Wiedergabe der Sonate Nr. 1 c-Moll op. 37 (1848) wartet zunächst mit einer klangfarblich fahl gezeichneten Einleitung auf, deren Stimmung dann im Verlauf des Kopfsatzes ins Dramatische hinein vertieft wird. Während die Interpreten in den Variationen des Pocoadagio-Mittelsatzes geschickt den kontrastierenden Stimmungswechseln der Musik nachlauschen, betten sie diese Ausdrucksbereiche im Finale in eine vorwärtsdrängende Gesamtentwicklung ein, die sich am Ende unnachgiebig im Moll-Charakter festhakt.
Die viersätzige Sonate Nr. 2 A-Dur op. 39 (1850) wirkt demgegenüber „klassischer“ und bringt die gesanglich-melodische Entfaltung mit einem freizügigen harmonischen Schweifen und dem Erforschen von emotionalen Zwischenbereichen zusammen, wobei sorgfältig artikuliertes Klavierspiel und nuancenreiche geigerische Klanggebung sehr gut aufeinander abgestimmt sind. Momente wie der fast im Vorübergehen sich ereignende Repriseneintritt des Kopfsatzes gehören zu den Höhepunkten einer Interpretation, die hier – wie später auch im langsamen Satz und der klangvoll mit Doppelgriffen angereicherten Kantilene im Mittelteil – am Primat der Kantabilität festhält. Das rhythmisch raffinierte a-Moll-Scherzo mit seinen wie Zahnrädchen ineinandergreifenden Instrumentalparts und der von einem Gigue-Rhythmus beherrschte Finalsatz zeugen darüber hinaus von der Präzision des Duos.
Eingeleitet wird die Produktion mit den 1835 entstandenen Variations concertantes sur une mélodie suisse op. 20, die, obgleich aufgrund ihres Charakters eher leichtgewichtig, durch gleichberechtigte Verwendung beider Instrumente für sich einnehmen. Die Interpreten stellen das Weiterreichen von Thementeilen und das gemeinsame Fortspinnen der musikalischen Bausteine in den Vordergrund. Allerdings erhalten die Nebenlinien im Violinpart zu viel Bedeutung, wenn Orlando sie mit allzu kräftiger Tongebung hervorkehrt.
Etwas störend ist auch die in ihrer Gesamtheit rau anmutende Aufnahmetechnik der CD, die gerade in diesem Stück den Klavierklang gelegentlich verwaschen wirken lässt.
Stefan Drees