Bartók by Arrangement

Music for Viola

Sonata No. 2 for Viola and Piano / Sonata for Solo Viola / Rhapsody No. 1 for Viola and Strings, arr. by Vidor Nagy. Sonata No. 2 for Viola and Piano/ Sonata for Solo Viola/Rhapsody No. 1 for Viola and Strings, arr. by Vidor Nagy, Vidor Nagy (Viola), Péter Nagy (Klavier), Divertimento Budapest

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Toccata Classics TOCC 0351
erschienen in: das Orchester 01/2017 , Seite 65

Denkt man daran, was Béla Bartók für das Geigenrepertoire getan hat, kann man nicht anders als bedauern, dass sein Œuvre für die Viola nur das von ihm unvollendet hinterlassene Bratschenkonzert umfasst. Der Bratscher Vidor Nagy hat aus diesem Sachverhalt eine so einfache wie kühne Konsequenz gezogen, indem er einige von Bartóks Geigenwerken auf die Bratsche übertrug. Auf dieser CD sind Nagys Bearbeitungen der ersten Rhapsodie, der zweiten Sonate und der Geigen-Solosonate zu hören.
Kühn ist das unter anderem deshalb, weil sich die technischen Schwierigkeiten der Stücke durch die Bearbeitung noch vervielfachen. Die zu bewältigen darf man Nagy indes durchaus zutrauen: Dreißig Jahre lang war er erster Solobratscher beim Staatsorchester Stuttgart und ist bestens mit moderner und Neuer Musik vertraut, sei’s im Original für Bratsche, sei’s in (eigenen) Bearbeitungen.
Tatsächlich können Nagys Arrangements Bartóks Werken neue Valeurs abgewinnen. Zwar wirkt etwa die Solosonate hier nicht so brillant wie auf der Geige, aber durch die weniger exponierte Lage der Bratsche, ihren gedämpften Klang gewinnt der Ausdruckscharakter des Werks eine ganz eigene Dringlichkeit, die weniger extrovertiert, dafür aber untergründiger, beunruhigender sein mag. Andererseits scheint es in einem so expressiv angelegten Stück wie der zweiten Sonate, als fiele es der Bratsche schwerer als der Geige, sich gegen das Klavier durchzusetzen.
Das gilt umso mehr, als es Nagys grundsätzlich geschmeidigem, wendigem Bratschenton an Körperlichkeit, an Klangvolumen fehlt. Hinzu kommt, dass, wenngleich seine Interpretationen auch nicht ohne zupackenden Gestus sind, es doch manchmal schwerfällt, die musikalische Richtung auszumachen. Beispielhaft dafür kann
die Fuge aus der Solosonate stehen: Die beginnt straff, angemessen forte und risoluto, aber schon der zweite Themeneinsatz wird nicht hinreichend deutlich markiert. Wüsste man es nicht, könnte einem entgehen, dass es sich um eine Fuge handelt. Die Darbietung wirkt so etwas unkonturiert, eine wirkliche Spannungskurve kann kaum entstehen.
In der überzeugenden Dramaturgie der CD folgt nach den schwergewichtigen Sonaten zum leichten Ausklang die erste Rhapsodie. Bartók selbst bearbeitete das eigentlich für Geige und Klavier gesetzte Stück zuerst für Geige und Orchester, dann für Cello und Orchester – zumindest in diesem Fall ist eine Bearbeitung für Bratsche wirklich naheliegend. Leider geben die sonst sorgfältig erstellten und ausführlichen Beiheft-Texte keine Auskunft darüber, von welcher Fassung Nagys Arrangement ausgeht (wie sie auch sonst die Details seiner Bearbeitungspraxis unbeleuchtet lassen).
Wie dem auch sei: Nagy findet hier einen Tonfall von müheloser Eleganz und verwegenem Charme, der vorzüglich zu den folkloristisch-populär anmutenden Melodien passt.
Gero Schreier