Paul Ben-Haim

Music for Strings

Bettina Aust (Klarinette), Christine Steinbrecher (Harfe), Talia Or (Sopran), Bayerische Kammerphilharmonie, Ltg. Gabriel Adorján

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Avi-music
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 67

Paul Frankenburger, 1897 in München geboren und 1933 nach Palästina emigriert, wurde dort bald eine der führenden Figuren der neuen israelischen Musik. Er änderte seinen Namen in Paul Ben-Haim und wechselte von einer an der deutschen Spätromantik orientierten Kompositionsweise, wie er sie von seinen Münchner Lehrern Friedrich Klose und Walter Courvoisier erlernt hatte, zu einer zeit- und umfeldgemäßeren Tonsprache, die sephardische und arabische Melodik ebenso aufgriff wie Textvorlagen moderner jüdischer Schriftsteller. Diesen (östlichen) „Mittelmeerstil“ führten viele von Ben-Haims Schülern fort, darunter Persönlichkeiten wie Tzvi Avni (in Saarbrücken geboren), Ben-Zion Orgad (in Gelsenkirchen geboren) und der in Tel Aviv geborene Noam Sheriff.
Die auf dieser CD vereinten vier Werke stammen aus den Jahren 1945 bis 1956 und dokumentieren die Vorliebe Paul Ben-Haims für Streichermusik. In Reinform zeigen die beiden suitenartig angelegten Werke Concerto for Strings op. 40 von 1947 (viersätzig) und Music for Strings von 1956 (fünfsätzig) den gewandten und abwechslungsreichen Umgang des Komponisten mit dem Streichorchester. Eine stets lebendige, elastische Rhythmik kennzeichnet seinen Stil ebenso wie die Durchsichtigkeit der Faktur. Ein ausgesprochen orientalisches „Capriccio“, ein klangschön-verträumtes „Intermezzo Lirico“ aus dem 20-minütigen Concerto, eine Unisono-„Melody“, ein temperamentvoller „Canon“ und eine polyfon durchwirkte, elegische „Aria“ aus der insgesamt formstrenger angelegten, 16-minütigen Music mögen dabei als Höhepunkte auch seiner Personalstilistik gelten.
Eine aparte farbliche Erweiterung um Klarinette und Harfe bietet die 1945 begonnene, 1962 revidierte Pastorale Variée op. 31b. Ben-Haim greift hierbei auf ein Thema seines bereits 1941 geschaffenen Klarinettenquintetts zurück. Die Augsburger Klarinettistin Bettina Aust versteht sich hierbei, unterstützt von der Tonregie, glücklicherweise als Teil eines kammermusikalischen Ganzen und verzichtet auf vordergründige virtuose Gesten, wie sie die schnelleren Variationen auch ermöglicht hätten.
Mit den Three Songs without Words für Stimme und zwölf Streicher von 1952 liefert Ben-Haim einen wertvollen Beitrag zum seltenen Genre der konzertanten Vocalise. In „Arioso“, „Ballad“ und „Sephardic Melody“ überzeugt die israelisch-deutsche Sopranistin Talia Or mit intonationssicherer, im üppigen Vibrato manchmal an die Grenzen gehender Stimme und dramatisch-souveräner Gestaltung. Dieser zehnminütige Zyklus wäre auch eine Entdeckung für europäische Konzertsäle.
Die zwanzigköpfige Bayerische Kammerphilharmonie unter Konzertmeister Gabriel Adorján spielt mit Präzision und großem Elan.
Rainer Klaas